Bittere Mandeln
Regierungen beigetragen hat?«
»Wer hätte gedacht, daß ich für das Leben in Japan Spanisch brauche«, entgegnete Richard mit einem spöttischen Lachen. »Irgendwie war das komisch. Abgesehen von ein paar Worten habe ich überhaupt nichts verstanden.« Richard verzog das Gesicht, als er an seinem Tee nippte. Besonders gut schmeckte er ihm offenbar nicht.
»Warum hast du Enrique nicht gebeten, dir zu übersetzen, was sie gesagt haben?« fragte ich.
»Ich habe doch schon gesagt, daß er hinter der Bar stand, und außerdem war ich mir nicht sicher, ob die Unterhaltung so wichtig ist. Aber ich habe dir trotzdem ein paar Worte auf einer Serviette notiert.« Er holte eine zerknüllte hellblaue Papierserviette aus der Tasche.
Ich las, was darauf stand: Kayama-Schule. Mitsutan. St. Luke’s Hospital. Rei Shimura. Yanaka.
»Dann wissen sie also Bescheid über meine Vergiftung. Das paßt alles zusammen!« Ich war ganz durcheinander. In mir kämpften Wut, Angst und Hochstimmung gegeneinander an. Endlich hatte ich einen Beweis.
»Beruhig, dich, Rei. Ziemlich viele Leute wissen von deiner Erkrankung.«
»Nein, das stimmt nicht«, sagte ich. »Schließlich stand’s nicht in der Zeitung. Hast du irgend jemandem davon erzählt?«
»Ja, Enrique. Er wollte wissen, warum du am Samstagabend nicht auf dem Fest warst.«
War es möglich, daß Enrique mit Che gesprochen hatte? Oder stellte Takeo Kayama, der mein Adreßbuch durchgegangen war und wußte, wo ich wohnte, das Bindeglied dar? »Die Männer haben von dieser Gegend hier geredet. Hast du irgendwelche Zahlen verstanden? Haben sie meine Adresse erwähnt?«
»Schwer zu sagen. Sie haben sich ja hauptsächlich auf spanisch unterhalten. Es waren auch ein paar Japaner dabei, die offenbar Spanisch verstanden. Oder vielleicht waren das japanischstämmige Latinos. Keine Ahnung.«
»Wenn ich nur Lieutenant Hata und einen Spanisch-Übersetzer dazu bringen könnte, das Salsa Salsa zu überwachen«, dachte ich laut.
»Tu nichts, was Enrique Schwierigkeiten machen könnte.« Richard bedachte mich mit einem wütenden Blick. »Er ist mein ein und alles.«
»Solltest du dann nicht ein bißchen Zeit investieren und Enrique auch außerhalb der Bar kennenlernen? Ich habe irgendwie das Gefühl, daß alles, was zwischen euch läuft, mit zu vielen Caipirinhas runtergespült wird.«
»Wenigstens habe ich im Gegensatz zu dir eine Beziehung, Frau Schlaumeier.«
»Kennt Enrique Che?« fragte ich, ohne auf seine Äußerung einzugehen. »Was hattest du für einen Eindruck?«
»Das Beste habe ich mir für den Schluß aufgehoben. Es hat sich herausgestellt, daß die beiden sich tatsächlich oberflächlich kennen, also habe ich Enrique gebeten, mich ihm vorzustellen, wenn er geht. Che ist eigentlich ein ganz netter Kerl. Er hat uns sogar eine Art Aushilfsjob angeboten, aber wir haben abgelehnt.«
»Was für einen Job denn?«
»Er hat gesagt, es hat was mit Gärtnern zu tun. Enrique meint, daß es sich um Schwarzarbeit handelt. Er hat einen legalen Job im Salsa Salsa und eine Aufenthaltsgenehmigung, da würde er natürlich kein solches Risiko eingehen.«
Plötzlich schlug mein Herz schneller. Entweder das kam vom Ginseng-Tee, oder ich war dabei, eine tolle Idee zu entwickeln. »Glaubst du, du könntest Enrique überreden, mehr über diesen Job herauszufinden?«
Richard schüttelte den Kopf. Dabei schwang das Zinnkreuz an seinem Ohrring heftig hin und her. »Enrique besteht darauf, seine gesamte Freizeit mit mir zu verbringen.«
»Wenn das bloß ein kurzfristiger Job ist, warum machst du ihn dann nicht? Bloß einmal?«
Richard ließ einen Finger am Rand seiner feuchten Teeschale entlanggleiten. »Nun, eigentlich hätte ich nichts dagegen, mein Hemd auszuziehen und ein bißchen braun zu werden. Neben Enrique komme ich mir ziemlich blaß vor.«
Ich nahm Richard die Teeschale aus der Hand. »Hast du schon gewußt, daß ich aus Teeblättern lesen kann?« fragte ich. Während ich den Blick auf die Überreste des dunklen Seetangs auf dem Boden von Richards leerer Schale richtete, sagte ich: »Ich sehe, daß es gut für dich wäre, im Freien zu arbeiten.«
Richard seufzte. »Du klingst wie Lila. Aber sie will mich immer nur dazu überreden, mit den Kindern ins Tokio-Disneyland zu gehen.«
»Das hier macht sicher mehr Spaß als dieser Kinderkitsch«, meinte ich. »Ich bitte dich doch bloß, ein bißchen im Schlamm zu wühlen. Nur einen Nachmittag lang.«
»Für dich würde ich alles tun«, sagte
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