Bittere Mandeln
in der übrigen japanischen Geschäftswelt. Er hatte einen malvenfarbenen Kimono mit einem Muster aus hellrosafarbenen Kirschblüten über einen Lackständer drapiert. Auf einer tansu- Kommode befand sich ein Kirschblüten-Gesteck in einem großen schwarzen suiban- Gefäß. Daneben standen ähnliche Ikebana-Gefäße aus der gleichen Zeit. Sie waren nicht mit Wasser gefüllt, so daß ich eines davon umdrehen konnte, um nach dem Stempel des Künstlers zu suchen. Ich kannte die zwei einfachen, in den Ton geprägten kanji- Zeichen: das für »Blume« und das für »Berg«. Zusammen sprach man das »ka-yama«.
Betätigte sich jemand aus der Kayama-Familie als Töpfer? Ich verwarf den Gedanken. Höchstwahrscheinlich war das Gefäß im Auftrag der Schule hergestellt worden, genau wie das minimalistische Steingut, das im Augenblick die Regale des Unterrichtsraums in der Kayama-Schule füllte. Viel überraschender für mich war, wie sehr die Stücke mich an die Formen der dreißiger Jahre erinnerten. Die Farben – fröhliche Orange-, Rosa- und Grüntöne – glichen der amerikanischen Fiestaware. Allerdings waren es zugleich auch die typischen Farben japanischer Kimonos.
Während ich mir darüber schlüssig zu werden versuchte, ob die Gefäße eher japanisch oder amerikanisch wirkten, entwickelte sich das Geschäft für Mr. Ishida ausgesprochen positiv. Seine Kundin stand kurz davor, eine tansu- Kommode zu erwerben, die siebenhunderttausend Yen, also ungefähr viertausendachthundert Dollar, kosten sollte. Die Dame strich zärtlich über den glatten Lack. Ich stellte mir vor, wie es wäre, ein Stück in solch tadellosem Zustand zu kaufen, dessen Wert mit Sicherheit steigen würde. Schön, dachte ich, sogar sehr schön.
Nachdem das Geschäft abgeschlossen war, verabschiedete Mr. Ishida die Dame mit tiefen Verneigungen. Er hatte den Oberkörper noch immer gesenkt, als sie den Laden verließ. Es dauerte eine ganze Weile, bis er es schaffte, sich wieder ganz aufzurichten.
»Zwei Tage habe ich meine Tai-Chi-Übungen nicht gemacht, und schon bin ich ein alter Mann«, brummelte Mr. Ishida.
»Keineswegs«, sagte ich lächelnd und setzte mich an das mit Büchern und Papieren bedeckte Beistelltischchen, an dem Mr. Ishida gern Tee servierte und Unterhaltungen führte.
»Was für ein guter Tag, Shimura-san. Diese tansu hat mir acht Monate lang Platz weggenommen. Ich hatte schon befürchtet, sie nie verkaufen zu können.«
»Ich habe ein ganz ähnliches Problem«, sagte ich und erzählte ihm von den Tellern.
»Tut mir leid, aber die kann ich Ihnen nicht abkaufen«, sagte Mr. Ishida. »Ich habe selbst ein Set mit zwölf Tellern im Obergeschoß – fünf Monate nun schon. Dafür gibt es einfach keine Käufer.«
»Tja, das merke ich auch gerade.« Irgendwann würde ich mir einen Lagerraum für all die wunderbare Kommissionsware suchen müssen, die ich übernommen hatte. Ich hielt ein flaches rosafarbenes Ikebana-Gefäß in die Höhe und fragte: »Könnten Sie mir etwas darüber sagen?«
»Das ist ein suiban. Es ist im Auftrag der Kayama-Schule in einem Brennofen auf der Insel Kyushu hergestellt worden. Zu Beginn des Jahrhunderts entstanden so viele Stücke dieser Art, daß der Begriff ›Kayama-Keramik‹ geprägt wurde. Ich habe im Augenblick ziemlich viel davon. Ich würde sagen, das Stück, das Sie gerade in der Hand halten, wurde in den dreißiger Jahren gebrannt.«
Mr. Ishida schien noch nicht bemerkt zu haben, daß er Ikebana-Gefäße einer vom Tod heimgesuchten Ikebana-Schule anbot, aber das war auch kein Wunder, denn er besaß keinen Fernseher und las nichts anderes als Fachzeitschriften über Antiquitäten. Mein Freund würde nicht einmal von einem Mord in der Kamiyacho-Station Notiz nehmen, es sei denn, der Mörder beginge die Tat mit einem alten Samurai-Schwert.
Ich sah mir das suiban genauer an. Wahrscheinlich, dachte ich, würde das Rosa nicht jede Blume gut zur Geltung bringen. »Das Stück ist nicht so alt wie die Stücke, die Sie sonst verkaufen«, fragte ich. »Warum haben Sie den Auftrag angenommen?«
»Weil mir klar war, daß ich der einzige Händler in Tokio, vielleicht sogar in ganz Japan, sein würde, der eine so große Sammlung davon anbietet. Ich hoffe, daß irgendwann ein Kayama-Liebhaber hier auftaucht und mir alles abnimmt.«
»Ich mache einen Kurs an der Schule. Leider fehlt mir die Passion fürs Ikebana«, sagte ich mit einem spöttischen Lächeln.
»Aber man lernt dabei ausgesprochen
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