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Bittere Mandeln

Bittere Mandeln

Titel: Bittere Mandeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sujata
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Empfang machen möchte, würde man hierher kommen und sich ein suiban holen, nicht im Lager mit den Kursmaterialien, denn die Stücke hier sind älter und interessanter als die für den Unterricht. Deshalb verwenden wir sie gern an besonderen Orten.«
    Der nächste Raum, den er mir zeigte, hatte keinen Luftbefeuchter und war mit langen, schmalen Schachteln gefüllt.
    »Das hier sind die Gedichte meiner Mutter. Oder genauer gesagt, die Werke, die sie kopiert hat, in ihrer Kalligraphie. Sie hat gern Haikus kopiert, besonders wenn es darin um Blumen ging.«
    Plötzlich bekam ich eine Gänsehaut. »Hat Ihnen jemand Haikus geschickt?«
    Takeo starrte mich an. Dann schloß er rasch die Tür. Als er wieder bei mir war, fragte er leise. »Woher wissen Sie das?«
    »Man hat mir in den letzten beiden Tagen zwei unter der Tür durchgeschoben. Meine Tante bekommt schon jahrelang welche.«
    »Bei mir geht das jetzt seit drei Monaten so. Normalerweise stecken sie in einem Reispapierumschlag unter dem Scheibenwischer des Range Rover. Weil ich den Wagen immer hinter dem Gebäude abstelle, dachte ich, die Gedichte kommen von einer Sekretärin oder Mitarbeiterin.«
    Von einer Frau also, die sich in ihn verliebt hatte. Was mit ziemlicher Sicherheit häufig vorkam.
    »Wo haben Sie sonst noch Gedichte gefunden?« fragte ich. »Am Tag von Sakuras Tod ist mir eins unter der Bürotür durchgeschoben worden. Es war von Issa und ging ungefähr so:

    Ein daimyo ! Und was
    bringt ihn dazu, von seinem Pferd zu steigen?
    Die Kirschblüten. «

    »Ein daimyo ist ein Adeliger«, sagte ich. »Vielleicht soll das Gedicht bedeuten, daß Sakuras Tod einen wichtigen Mann wie Sie von seinem metaphorischen hohen Roß geworfen hat. In dem Fall könnte das Pferd für den Range Rover stehen.«
    »Wenn dem wirklich so ist – und das weiß ich eben nicht –, könnte meine Schwester das Gedicht geschickt haben. Sie wissen ja, daß wir uns nicht sonderlich gut verstehen.«
    »Warum?«
    Takeo rückte eine Weile die in Schachteln verpackten Schriftrollen hin und her, bevor er antwortete. »Als meine Mutter noch am Leben war, haben Natsumi und ich die ganze Zeit zusammengesteckt. Nach ihrem Tod haben wir uns auseinandergelebt. Wir hatten dann auch getrennte Schlafzimmer, was wahrscheinlich vernünftig ist bei einem Jungen und einem Mädchen, die allmählich größer werden. Das enge Band war zerschnitten. Ich habe angefangen, mich mit Ikebana zu beschäftigen – vermutlich wollte ich wie mein Vater werden –, und Natsumi hat lieber mit anderen kleinen Mädchen gespielt.«
    »Interessiert sie sich denn für Haikus?«
    »Ich glaube nicht. Jedenfalls schreibt sie selber keine. Waren die Haikus, die Sie bekommen haben, denn Neuschöpfungen?«
    »Nein. Gleich nach dem Giftanschlag auf mich habe ich ein Haiku von Bashō erhalten, das lautete folgendermaßen: ›Berauscht, schlummernd inmitten von Gartennelken, ausgebreitet auf einem Felsen.‹ Und heute nachmittag habe ich ein weiteres erhalten: ›Frühlingswinde stoßen das hübsche Mädchen, Ärger erregend.‹ Den Verfasser habe ich noch nicht herausgefunden.«
    »Hmmm. Die Kalligraphien meiner Mutter sind nach Blumen geordnet, also kann ich das erste Gedicht, das Sie zitiert haben, sehr schnell finden.« Er zog einen langen, schmalen Holzbehälter heraus und klemmte ihn unter den Arm. »Wahrscheinlich ist keine Schriftrolle mit dem zweiten Haiku dabei, weil es darin nicht um Blumen geht. Alles, was hier ist, hat irgendwie mit Ikebana zu tun.«
    Takeo öffnete eine Tür, die zum Treppenhaus führte. Ich lief voraus und blieb dann unvermittelt stehen, als mir einfiel, daß Takeo gerade erst einen Autounfall überstanden hatte.
    »Wir könnten auch den Aufzug nehmen. Bis zum achten Stock ist es ziemlich weit.«
    »Das ist unmöglich. Das Licht würde angehen, und wenn Natsumi nach Hause kommt, sieht sie auf der Schalttafel sofort, wo wir sind. Es macht nichts, wenn sie mich entdeckt, aber bei Ihnen wäre das etwas anderes.«
    Also gingen wir weiter die Treppe hinauf. Takeo zog sich mühsam am Geländer hoch; ich blieb an seiner Seite.
    Im achten Stock wurde der Flur lediglich von einem roten Leuchtschild mit der Aufschrift »Ausgang« erhellt. Unsere Schatten an der Wand wirkten ziemlich unheimlich. Ich war froh, als Takeo endlich die Tür zu seinem Büro aufschloß und das Deckenlicht einschaltete. Ich sah mich in dem Zimmer um, das seit meinem nachmittäglichen Besuch ein wenig aufgeräumt worden war. Die

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