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Bittere Pille

Bittere Pille

Titel: Bittere Pille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schmidt
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Ohne sich noch
einmal umzublicken, ging er zum Auto. Die Warnblinkanlage leuchtete
einmal kurz auf, als er den Knopf der Fernbedienung betätigte.
Brechtmann spürte die Blicke in seinem Rücken. Dieser
Müller war ihm unheimlich. Vielleicht war es ein Fehler
gewesen, herzukommen. Er stieg ein, zog die Türe zu und
startete den Motor. Während er den Mercedes wendete und vom
Gelände fuhr, spürte er eine tiefe Leere in seinem Kopf.
Er musste dringend schlafen.

59
    Wipperfürth,
0:10 Uhr
    Stefan marschierte
nervös im Kreis herum und betrachtete Ulbricht, der am
Dienstwagen lehnte und scheinbar gedankenverloren rauchte.
Heinrichs hockte mit ausdrucksloser Miene hinter dem Lenkrad und
stierte ins Leere. Ihm war anzusehen, dass er gegen die
Müdigkeit kämpfte. »Das Warten macht mich
verrückt«, gähnte er, nahm die Brille ab und fuhr
sich durch das Gesicht. Ohne Brille sah er aus wie ein Maulwurf,
fand Stefan.
    »Er kann sich
nicht mehr bei mir melden, weil er das Telefon im Wald entsorgt
hat«, überlegte er. »Es sei denn, er sucht sich
eine Telefonzelle. Aber dann würde
er wertvolle Zeit auf seiner Flucht verlieren. Vielleicht hat er
sich auch inzwischen einen anderen Wagen besorgt. Dann ist das, was
wir hier tun, äußerst schwierig.« Ulbricht blickte
auf. Stummes Nicken. Der Kommissar zog an der Zigarette und nahm
die Kippe in die hohle Hand. »Vermutlich haben Sie recht.
Aber die Kollegen sind an ihm dran und treiben ihn in die Enge. Die
Straßensperren stehen. Und der Hubschrauber steht bereit und
kann sofort in die Luft gehen. Wenn alles planmäßig
läuft, ist er unterwegs hierher. Also sieht es gar nicht so
schlecht aus, Seiler.«
    »Und die
Hoffnung stirbt zuletzt«, fügte Stefan ironisch hinzu.
Sie hatten sich eine Waldlichtung gesucht. Ein paar Meter weiter
begann ein großes Feld, auf dem auch ein Hubschrauber landen
konnte, sollte dies nötig werden. Der Wald roch frisch, doch
Stefan konnte sich nicht an der nächtlichen Idylle erfreuen.
Immer wieder warf er einen Blick auf das beleuchtete Ziffernblatt
seiner Armbanduhr, die er zum letzten Geburtstag von Heike
geschenkt bekommen hatte, und hing weiter seinen Gedanken
nach.
    Den Zugriff auf einen
Geiselnehmer hatte er schon zigmal im Fernsehen gesehen.
Schwerbewaffnete Scharfschützen lauerten auf den Dächern
der umliegenden Häuser und warteten nur auf eine günstige
Gelegenheit, den Täter mit einem gezielten Schuss außer
Gefecht zu setzen.
    Doch das hier war die
bergische Pampa. Weit und breit gab es kein Haus, in dem sich
Scharfschützen des LKA verschanzen konnten. Andererseits
wurden hier keine unbeteiligten Bürger gefährdet. Stefan
unterbrach seine Wanderung und blickte sich um. Die
tiefhängenden Zweige bildeten ein grünes Dach, und nur
unmittelbar an der Stelle, wo Heinrichs den Vectra geparkt hatte,
drang das Mondlicht auf die Szenerie und tauchte den Wald in ein
blasses Licht. Die Schatten am Boden schienen in ständiger
Bewegung zu sein. Irrlichter huschten durch die Nacht, von einem
ständigen Knistern und Knacken im Unterholz begleitet.
Wahrscheinlich Füchse und Wild.
    »Diese
Scheißviecher«, entfuhr es Heinrichs erschrocken. Er
sprang ins Freie. »Man kriegt jedes Mal einen Heidenschreck,
weil man denkt, der Typ ist schon da und hat uns im
Visier.«
    »Wer sagt, dass
es nicht so ist?« Stefan steckte die Hände in die
Taschen seiner Jeans. »Vielleicht liegt er im Dickicht auf
der Lauer und beobachtet uns, wartet nur auf einen passenden
Moment, um uns mit einer Uzi einfach umzupusten.«
    »Malen Sie den
Teufel nicht an die Wand, Seiler«, mischte sich Ulbricht ein.
»Das ist Spinnerei.« Er schnippte den Stummel seiner
Zigarette fort und trat die Glut mit dem Absatz seines Schuhs aus.
Das fehlte noch, hier einen Waldbrand zu verursachen.
    »Die Nerven
liegen blank«, kommentierte Stefan, obwohl es ihm selber auch
nicht besser ging. Wieder ein Blick auf die Uhr. Die Zeit schien
zäh wie Sirup dahinzufließen. Um ein Haar hätte er
Ulbricht um eine Zigarette gebeten, und das, obwohl er das Rauchen
nach seiner Bundeswehrzeit aufgegeben hatte. Er überlegte, ob
er Heike anrufen sollte. Sicherlich hockte sie zu Hause und ging
vor Sorge die Wände hoch.
    Im nächsten
Augenblick vergaß er Heike. Das Handy des Kommissars
klingelte. Ein Ruck ging durch die Männer. Ulbricht meldete
sich hektisch, sagte ein paar Mal »ja« und »Wir
sind auch da«, dann unterbrach er die Verbindung und nickte
seinem Assistenten zu. »Es geht los.«

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