Bittere Pille
seinem Rücken munkelte.
Trotzdem schien der
Tote sehr einsam gewesen zu sein, daran hatte auch der
Hausfrauentraum von einer Küche nichts ändern
können. Und am Ende blieb nichts übrig, überlegte
Ulbricht und dachte unwillkürlich an seine Frau. So schnell es
ging, verwarf er die düsteren Gedanken und konzentrierte sich
auf den Fall.
Vor der
Küchenzeile gab es eine kleine Terrasse. Von hier aus konnte
man über grüne Hügel bis zum Remscheider Rathaus
blicken. Trotz der Spülmaschine stapelte sich im
Spülbecken der Abwasch, auf dem Esstisch lag eine alte Zeitung
neben einer Tasse Kaffee und einer halb geleerten Schale
Cornflakes. Es roch muffig. Petersen führte Ulbricht in das
angrenzende Wohnzimmer. Auch hier herrschte Unordnung. Ein
Fernseher, ein altmodischer Schrank, eine verschlissene Ledercouch
und davor ein niedriger Tisch mit Glasplatte. Staub und die
Ränder von Getränkedosen oder Gläsern bildeten
unansehnliche Kränze. Der Notarzt blickte auf, als Ulbricht den Raum betrat.
Er nickte ihm kurz zu, nachdem Ulbricht sich vorgestellt
hatte.
»Was können
Sie mir zu dem Toten sagen?«
»Nicht viel,
fürchte ich. Ein Schuss in den Brustbereich, der dazu
führte, dass das Opfer innerlich verblutete. Wenn Sie
Näheres wissen wollen, müssen Sie das Ergebnis der
Obduktion abwarten.«
»Hm.«
Ulbricht nickte.
»Ich habe den
Leichnam zum Abtransport freigegeben, in einer guten Stunde wird er
in Düsseldorf bei den Kollegen der Rechtsmedizin auf dem
Seziertisch liegen. Mit etwas Glück bekommen Sie den Bericht
heute noch.« Der Notarzt erhob sich. »Wenn Sie keine
Fragen mehr haben, würde ich jetzt gern
…«
»Wir kommen
klar, danke.« Ulbricht betrachtete das Opfer. Der Tote lag in
verrenkter Haltung zischen dem Tisch und dem Sofa. Ein tiefroter
Fleck zierte seine Brust. Die Augen hatte Jochen Baumgart weit und
anklagend aufgerissen, der Mund stand einen Spalt breit offen. Aus
dem rechten Mundwinkel rann ein feiner Blutfaden. Zeichen für
innere Verletzungen, konstatierte Ulbricht. Er ging neben dem Mann
in die Hocke und blickte zu Petersen auf, der im Türrahmen
stand. »Hat denn niemand den Schuss
gehört?«
»Angeblich
nicht. Vielleicht hat der Täter einen Schalldämpfer
genutzt und ist nach der Tat genauso unauffällig wieder
verschwunden, wie er gekommen ist.«
Zwei Tote innerhalb
von vierundzwanzig Stunden. Allerdings stand immer noch nicht fest,
wie lange die Leiche im Beyenburger See tot war. Und um wen es sich
dabei handelte, wussten sie auch noch nicht. Es war zum
Verzweifeln, dachte Ulbricht
frustriert.
Ulbricht betrachtete
ihn nachdenklich. »Den Toten hätten wir gut als Zeugen
gebrauchen können«, murmelte er an Petersen gewandt,
stand auf und versenkte die Hände in den Taschen seines
zerknitterten Sommermantels.
Petersen war hinter
ihn getreten. »Tut mir leid, dass wir etwas zu langsam
waren.«
»Das Leben ist
kein Wunschkonzert.« Ulbricht blickte sich um. »Wo sind
denn Seiler und seine Freundin, Frau Göbel?«
»Nebenan. Es
gibt so etwas wie eine Kammer, die Baumgart als Wäschezimmer
und Rumpelkammer nutzte. Übrigens lebte er alleine, denn wir
haben nichts gefunden, was auf die längere Anwesenheit einer
Frau deutet. Keine Zahnbürste im Bad, keine Wäsche im
Schrank, nichts.« Sie hatten die Aussagen der Nachbarn
natürlich überprüft, waren aber zum gleichen
Ergebnis gekommen, wie es schon beim Nachbarschaftstratsch
ausgesehen hatte. Baumgart hatte das große Haus zuletzt
alleine bewohnt. Ulbricht sah es positiv. »Dann muss ich
wenigstens niemandem die beschissene Nachricht vom Tod Baumgarts
überbringen.«
*
»Mit welchem
Recht sperren die uns in diese Wäschekammer hier?« Heike
ballte die kleinen Hände zu Fäusten und blickte auf die
Armbanduhr.
Stefan, der am Fenster
stand und das Treiben auf der kleinen Anwohnerstraße
beobachtete, wandte sich langsam zu ihr um. »Es geht nur
darum, dass wir keine Spuren vernichten«, beruhigte er sie.
»Petersen, dieser Typ von der Spurensicherung, ist in
Ordnung. Außerdem habe ich eben schon Ulbrichts Stimme
gehört. Sicher ist er gleich hier, um
…«
In diesem Moment flog
die Tür auf, und Ulbricht baute sich mit finsterer Miene im
Rahmen auf. »Können Sie mir mal sagen, was Sie hier zu
suchen haben?«
»Ihre Kollegen
hatten nichts Besseres zu tun, als uns in dieser Rumpelkammer
gefangen zu halten«, maulte Heike und erhob sich von dem
Sitzsack, auf dem sie eben noch gehockt hatte. Die
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