Bittere Pille
Autos nicht die leiseste Ahnung hatten. Er dachte daran, dass
fünf Autobahnen direkt durch Köln führten, die
Innenstadt aber zur Umweltzone erklärt worden war. Als wenn
die Abgase, die die zigtausend Fahrzeuge auf der Autobahn
ausschieden, genau dort bleiben würden. Seit Bestehen der
Bundesrepublik hatten sich Politiker noch nie so einen
Blödsinn ausgedacht. Der wachsenden Umweltbelastung musste man
anders zu Leibe rücken als mit dieser Makulatur, die den
Landtagen aus Berlin diktiert worden war. Vielleicht hätten
sie Sachverständige zu Rate ziehen sollen, anstatt mit viel
Propaganda Leuten mit schmalem Geldbeutel den fahrbaren Untersatz
und somit die Einfahrt in die Wuppertaler Innenstadt seit Februar
2009 zu verbieten.
Gegenüber auf dem
Laurentiusplatz standen die Verkaufswagen einiger
Markthändler. Im gläsernen Café herrschte aufgrund
der sommerlichen Witterung viel Betrieb. Kellner wieselten umher,
und Stefan war froh, dass Danni das »Lui« vorgeschlagen
hatte, hier ließ es sich hervorragend reden. Alle Tische vor
dem Luisen-Cafe waren besetzt.
Majestätisch
erhoben sich die beiden sandsteinfarbenen Türme der
Laurentiuskirche in den wolkenlosen Himmel über Elberfeld. Das
Ölbergviertel schmiegte sich dahinter an seinen Hügel.
Ein Häusermeer aus Patrizierbauten der Gründerzeit, ein
multikultureller Schmelztiegel der Stadt.
Stefan betrat das
Luisen-Cafe und blickte sich suchend um. Danni saß bereits an
einem der Tische auf der linken Seite. Vermutlich war sie im
Gegensatz zu ihm pünktlich gewesen. Hinter der Theke
rechterhand nickte ihm ein Barkeeper zu.
»So ganz ohne
Nachwuchs?« Stefan setzte sich.
»Ich hab Lena
bei meiner Mutter geparkt. Sie wohnt gleich um die Ecke, das ist
wirklich kein Problem.« Sie rührte in einem Latte
Macchiato und leckte den Schaum vom Löffel ab.
»Gut.«
Stefan strahlte. »Also, ich bin gespannt, was ist dir noch
eingefallen?«
»Kennst du Dr.
Hackethal?«
Nachdenklicher Blick,
Schweigen. Dann nickte er. »Klar, Julius Hackethal. Machte
seinerzeit Schlagzeilen bundesweit, weil er aktive Sterbehilfe
geleistet hat.«
Eine junge Kellnerin
trat an den Tisch und fragte ihn nach seinem Wunsch. Stefan
bestellte eine Cola. Als sie wieder alleine waren, fuhr er fort.
»Hat Dr. Brechtmann auch aktive Sterbehilfe
geleistet?«
»Noch nicht.
Aber er würde es tun, keine Frage.«
»Ist das so
verwerflich?« Stefan legte den Kopf schräg. »Ich
meine, wenn jemand wirklich todkrank ist und tagein, tagaus leidet,
ist es da nicht wirklich eine Erlösung, endlich sterben zu
dürfen?« Mit der Euthanasie hatte er ein heikles Thema
angesprochen. »Vielleicht, aber jeder Arzt schwört den
hippokratischen Eid. Und genau den nimmt unser Chef nicht so ernst,
fürchte ich.«
Die Cola kam, und sie
schwiegen. Als die Kellnerin außer Hörweite war, nahm
Stefan den Faden wieder auf. »Hast du eine Beobachtung
gemacht, die diesen Schluss zulässt?«
»Er ist
Geschäftsmann, aber kein Arzt, der Menschen helfen
will.« Sie hatte es mit versteinerter Miene ausgesprochen.
»Und, Stefan, da ist noch etwas.«
Stefan blickte sie
fragend an und trank von seiner Coke. »Seitdem wir uns heute
Mittag in der Klinik getroffen haben, werde ich
verfolgt.«
»Du
spinnst.«
»Leider
nicht.« Kopfschütteln. »Als ich nach Ende der
Schicht nach Hause ging, wurde ich verfolgt, von einem Typ in einem
dunklen Wagen. Er stand auf der gegenüberliegenden
Straßenseite und hat rübergeschaut. So einer wie im
Film, weißt du. Mit Sonnenbrille und Anzug. Wie von der
Mafia.«
Stefan dachte sofort
wieder an seine Idee, dass die Klinik Wiesenhang als Umschlagplatz
einer Organmafia dienen könnte. Die Härchen auf seinen
Unterarmen stellten sich auf. Ihm begann das Ganze über den
Kopf zu wachsen.
»Aber ich bin ja
nicht blöd und habe mir das Nummerschild
aufgeschrieben.« Danni strahlte und zog einen zerknitterten
Zettel hervor. Die Ziffern waren eilig dahingekritzelt. Stefan nahm
den Papierschnitzel an sich und warf einen Blick auf das
Kennzeichen. »W-AK…« Die Nummer merkte er sich
gar nicht erst. AK, dachte er und überlegte fieberhaft, zu wem
ein solches Kennzeichen gehören könnte. »Autohaus
Klinke«, murmelte er halblaut. »Vielleicht sollten wir
den Halter abfragen lassen, um sicherzugehen, ob Klinke
tatsächlich dahintersteckt.«
»Ob wer
dahintersteckt?« Auf Dannis Stirn hatte sich eine Falte
gebildet.
»Ach
nichts«, brummte Stefan. »Ich habe da nur so eine Idee,
wem der
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