Bittere Pille
gefahren sein soll?«
Blättern im
Hefter, dann: »Dr. Christoph Brechtmann, dreiundfünfzig.
Er leitet die Privatklinik Wiesenhang in
Ronsdorf.«
»Klingt wie im
Heimatroman.« Ulbricht verzog abwertend die Mundwinkel,
wieder ein Zug an der Zigarette. Er paffte scheinbar
gedankenverloren.
»Ist auch ganz
nett dort. Er behandelt hauptsächlich Privatpatienten, die
zahlen besser als Kassenpatienten.« Heinrichs rieb Daumen und
Zeigefinger aneinander.
»Da sag mir
einer, dass es in Deutschland keine Zweiklassengesellschaft
gibt.« Ulbricht winkte ab. »Unser Gesundheitssystem
geht total am Stock, und die in Berlin kriegen es einfach nicht auf
die Kette, endlich mal einzugreifen.« Er dachte an die
Geschichte, die er von Heike Göbel erfahren hatte.
Unwillkürlich fragte er sich, wo diese Reporterin
überhaupt steckte. Den ganzen Tag hatte er schon nichts von ihr gehört.
Er fürchtete, dass dies kein gutes Zeichen war.
»Brechtmann ist
geschieden, war wohl ein ziemlicher Rosenkrieg damals, wenn man den
Erzählungen der Mitglieder im Golfclub Glauben schenken darf.
Wohnhaft in Wuppertal, Richard-Strauss-Allee.«
»Kümmern
Sie sich mal um die Geschiedene. Vielleicht hängt sie mit in
der Sache. Möglicherweise ein Racheakt oder irgendwas in
dieser Richtung. Wie äußert Brechtmann sich zu den
Vorwürfen gegen seinen Freund Klinke?«
»Gar nicht, ich
habe ihn heute nirgendwo angetroffen. Es scheint, als wäre er
untergetaucht. In der Klink hat man mir gesagt, er sei außer
Haus, man wisse aber nicht, wo - oder man wollte es nicht
wissen.«
»Da stimmt doch
was nicht!« Ulbricht fuhr in seinem Stuhl hoch und schlug mit
der flachen Hand auf den Schreibtisch. Die Kaffeetasse
vollführte einen wilden Hüpfer, der Kaffee schwappte
über und hinterließ einen unansehnlichen braunen Kranz
auf der Schreibunterlage. »Brechtmann ist mit Klinke gut
befreundet. Klinke wäscht seine Hände in Unschuld, obwohl
sein Wagen nach dem Mord an Monika Born gesehen wurde. Brechtmann
verschwindet einen Tag nach der Tat. Und Monika Born hat unseren
Reportern eine haarsträubende Geschichte erzählt, die das
deutsche Gesundheitswesen nicht gerade gut aussehen lässt. Da
zähle ich eins und eins zusammen, Heinrichs. Brechtmann ist
unser Mann, jede Wette. Wenn wir ihn morgen auch nicht antreffen,
lasse ich nach ihm
fahnden.«
»Glauben Sie, er
war in Klinkes BMW unterwegs?«
»Der Verdacht
liegt auf der Hand, oder?«
»Wie man es
nimmt, Chef. Immerhin gibt es genug Zeugen, die mir bestätigt
haben, dass Brechtmann tatsächlich am Sonntagnachmittag auf
dem Golfplatz war. Danach ist er gemeinsam mit Klinke zu ihm nach
Hause gefahren. Das tun sie schon seit Jahren.
Insofern…",
Heinrichs nahm die Brille ab und putzte sie am Stoff seines Hemdes
sauber, »fehlt uns jeder Ansatzpunkt.«
Ulbricht drückte
die Kippe im Aschenbecher aus, ärgerte sich einmal mehr
über die Putzfrau, die mal wieder vergessen hatte, den Ascher
auszuleeren, und trank den Rest von seinem Kaffee. Plötzlich
lächelte er. »So ganz ist Brechtmann noch nicht aus dem
Schneider. Ich habe da so eine Idee.«
Er griff nach dem
Telefon und wählte eine Nummer im Haus. »Ulbricht hier
vom Elften. Ja, ich hätte da eine interessante Sache für
euch. Kümmert euch um den Kandidaten, aber haltet mich auf dem
Laufenden, wahrscheinlich steht er im Zusammenhang mit einem
Mordfall, an dem ich gerade arbeite.« Mit einem zufriedenen
Lächeln legte er auf und erhob sich. Ein letztes Mal griff er
zum Hörer und tippte die Nummer von Heike Göbel, die er
inzwischen auswendig kannte.
Er wollte sie noch
einmal ins Gebet nehmen, nichts zu unternehmen, was die laufenden
Ermittlungen gefährden konnte. Doch nach dem fünften
Freizeichen meldete sich die Mailbox. »Dann eben
nicht«, brummte er und legte auf. Ulbricht steckte die
halbleere Zigarettenschachtel ein und griff nach seinem Mantel.
»Brille« Heinrichs blickte seinen Vorgesetzten
verwundert an. »Und
jetzt?«
»Feierabend -
für heute.« Dann war Ulbricht draußen.
39
Vallendar, Am
Mühlenbach, 16:50 Uhr
»Ist hier
jemand?«
Wieder diese Stimme,
die Heike einen Schauer über den Rücken jagte. Sie wandte
sich zu Kalla um, der den Zeigefinger auf die Lippen legte. So
leise wie möglich trat er hinter sie. Heike spürte seinen
Atem an ihrem Ohr.
Plötzlich
fühlte Heike ein Vibrieren an ihrem Schenkel. Ihr Herzschlag
setzte für eine Sekunde aus. Das Handy, durchzuckte es sie.
Das verdammte Handy
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