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Bittere Pille

Bittere Pille

Titel: Bittere Pille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schmidt
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der einem aber auch stundenlang zuhören
konnte, wenn man sein Herz ausschütten wollte. Zu schade, dass
er mit Heike Göbel zusammen war. Danni kannte Heike nur aus
dem Radio; ihr Name war ihr geläufig, aber persönlich war
sie Stefans Herzdame noch nie über den Weg gelaufen.
Vielleicht war das sogar ganz gut so, dachte sie ein wenig
wehmütig.
    Draußen flogen
jetzt alte Fabrikgebäude am Wupperufer vorüber. Danni
konnte in die hohen Räume blicken, die sich teilweise mit der
Schwebebahn auf gleicher Höhe befanden. Als die Bahn
schließlich in die Station »Alter Markt«
einrollte, erhob sie sich, die Türen der Bahn öffneten
sich, und Danni stieg aus. Sie zwang sich, Stefan zu vergessen, und
freute sich auf ihre dreijährige Tochter Lena, die den Tag wie
immer bei ihrer Mutter verbracht hatte, damit sie ihrem Beruf
nachgehen konnte. Sie war froh über die Unterstützung der
Mutter, denn ansonsten wäre sie nicht in der Lage gewesen,
einen Vollzeitjob auszuüben, was wiederum mit sich gebracht
hätte, dass sie finanziell auf keinen grünen Zweig gekommen wäre.
Lenas Vater hatte sich noch vor der Geburt aus dem Staub gemacht,
weil er mit seiner bevorstehenden Vaterrolle nicht zurechtgekommen
war. Das hatte er zumindest Danni erzählt, als er Hals
über Kopf seine Siebensachen gepackt und sie vor vollendete
Tatsachen gestellt hatte. Danni kannte den wahren Grund:
Längst schon hatte er sich eine junge Blondine angelacht, mit
der er jetzt zusammen war. An seiner kleinen Tochter hatte er
keinerlei Interesse, und der Unterhalt kam jeden Monat über
das Jugendamt auf ihr Konto. Sie hatte keinen Kontakt mehr zu
Jörg, und das war auch gut so, denn immerhin hatte er sie
hochschwanger sitzen lassen und sich nicht um sie
gekümmert.
    Nach einem knapp
zehnminütigen Fußmarsch erreichte sie ihre Wohnung, die
im Dachgeschoss eines Altbaus an der Sedanstraße lag. Im
Briefkasten eine Zeitung und zwei Rechnungen, nichts Besonderes.
Sie erklomm die Stufen nach oben. Im zweiten Stock spielte einer
der Nachbarn überlaut Musik. Kid Rock plärrte
mit All
Summer long durch das Treppenhaus, und der
Bewohner der Wohnung, ein mindestens
fünfunddreißigjähriger Student mit langen Haaren,
grölte den Refrain Sweet home Alabama mit. Das knochige
Gitarrensolo war mindestens so prägnant wie bei Smoke on the
Water von Deep
Purple ,
fand Daniela lächelnd. Eine Etage weiter oben roch es nach
angebranntem Fisch.
    Als sie vor ihrer
Wohnungstür angekommen war, erschrak sie. Die Tür stand
einen Spaltbreit offen. Ihr Herzschlag setzte einen Moment aus.
Zwischen der Tür und dem Rahmen hatte sich jemand mit einem
Gegenstand zu schaffen gemacht und das Schloss ausgehebelt. Dabei
musste er entweder sehr geschickt vorgegangen sein oder einen
Heidenlärm veranstaltet haben. Daniela wunderte sich
darüber, dass niemand der Nachbarn etwas von dem Einbruch
mitbekommen hatte. Eigentlich war Daniela ein sehr vorsichtiger
Mensch. Wie immer, so hatte sie sich auch heute Morgen
vergewissert, die Tür abgeschlossen zu haben. Ihr wurde
heiß. Zitternd setzte sie einen Fuß in die Wohnung,
hielt den Atem
an und lauschte. Drinnen herrschte Ruhe. Möglicherweise hatte
sie den oder die Einbrecher auf frischer Tat ertappt, und die Diebe
befanden sich noch in ihrer Wohnung. Sie versuchte keinen Lärm
zu machen, trat ein und lauschte in die Wohnung hinein. Nichts,
kein Geräusch drang an ihre Ohren. Es dauerte einen Moment,
bis sie sich an das schummrige Licht in der kleinen Diele
gewöhnt hatte.
    »Hallo?«,
rief sie und erschrak über den Klang ihrer eigenen Stimme.
»Hallo, ist hier jemand?« Sie zitterte am ganzen Leib.
So etwas hatte sie noch nie erlebt.
    Nachdem sich niemand
meldete, blickte sie in die Küche und erschrak. Jemand hatte
ganze Arbeit geleistet. Die Schränke standen sperrangelweit
offen, die Einbrecher hatten den Inhalt auf dem Boden zerstreut.
Geschirr war zu Bruch gegangen. Sogar den Abwasch in der Spüle
hatte man zu Boden gefegt. Der Kaffeefilter war umgekippt und
bildete einen hässlichen braunen Kranz auf den Fliesen.
»Oh nein«, entfuhr es Danni. Es schien, als wäre
nichts mehr heil geblieben. Danni presste eine Hand vor das Gesicht
und wagte kaum, einen Blick in die anderen Zimmer zu werfen. Als
sie das Wohnzimmer betrat, bot sich ein Bild der Verwüstung.
Der große Flachbildfernseher lag auf dem Boden, man hatte ihr
die Polster der Couch mit einem Messer aufgeschlitzt. Das
Innenleben quoll heraus. Tisch und Sessel hatten die

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