Bittere Sünde (German Edition)
dass sie Sie im Gärdet abholen soll, weil Ihr Auto liegen geblieben ist oder so was in der Art.«
Magnus knallte den Hörer auf die Gabel, schnappte sich ein Arbeitshandy und rannte los.
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Linn hatte das Autoradio laut aufgedreht. Sie hörte Jazz und war trotz aller widrigen Umstände erstaunlich gut gelaunt, als sie an den massiven Betonwänden des Radiohuset vorbeifuhr. Natürlich hatte es sie ein bisschen enttäuscht, dass Magnus sich tagsüber nicht bei ihr gemeldet hatte, aber das passierte schließlich nicht zum ersten Mal. Er vergaß oft die Zeit, besonders wenn er mit einem Fall beschäftigt war. Komisch fand sie nur, dass sie ihn nun nicht wie sonst vor dem Präsidium abholen sollte, sondern im Stadtteil Gärdet, diesem größtenteils naturbelassenen Niemandsland im Osten Stockholms. Aber es gab da draußen ein Restaurant, vielleicht waren er und seine Kollegen da essen gewesen. Dort in der Nähe jedenfalls sollte sie ihn einsammeln. Kurz vor dem Waldstück bog sie ab und holte ihr Handy hervor. Ein paar verpasste Anrufe von einer unterdrückten Nummer, die sie vermutlich wegen der lauten Musik überhört hatte, aber nichts weiter von Magnus. Sie versuchte erneut, ihn anzurufen, doch es tutete nicht einmal.
Hat er sein Telefon ausgestellt?
Sie legte ihr Handy beiseite. Die großen Grasflächen erstreckten sich dunkel und wie ausgestorben rechts und links des Weges.
Dass es so dermaßen verlassene Orte in der Stadt gibt
, dachte sie und war erleichtert, dass sie sich in einem Auto befand, sicher vor Dunkelheit und Regen. Sie schaltete das Fernlicht ein und sang laut das laufende Lied mit, um erst gar keine Angst aufkommen zu lassen. Was sie da sang, klang allerdings so schief und falsch, dass sie leise über sich selbst lachen musste.
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Innerhalb kürzester Zeit würde es im Gärdet von Polizeiautos nur so wimmeln. Magnus hatte bereits eine Fahndung nach seinem und Linns weißen Saab 900 herausgegeben, und nun raste er mit dem Dienstwagen in die gleiche Richtung, es ging um Leben und Tod. Glaubte Linn im Ernst, dass er so spät noch im Gärdet abgeholt werden wollte? Magnus erschauderte. Natürlich glaubte sie das, die Nachricht war ja von seinem Handy geschickt worden. Linn hatte sich sicher sogar darüber gefreut, behilflich sein zu können. Kleine Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Er war völlig panisch. Die Gedanken jagten sich nur so in seinem Kopf. Er sah Linn vor sich, wie sie lachte, wie sie ihn eindringlich bat, seinen Polizeijob aufzugeben. Er sah Elin und Moa und etliche andere Bilder, die sich in seine Erinnerung eingebrannt hatten. Gunvor Berggren, misshandelt in ihrem Sessel. Josef Lidhman auf seinem Bett.
Bitte, lieber Gott, verschon sie.
Er klammerte sich ans Steuer, mit zitternder Hand bediente er den Funk, seine Verbindung zu den anderen Einheiten. »Ist jemand dort? Ist schon jemand von euch angekommen?«
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Linn wurde langsamer. Magnus hatte in seiner SMS geschrieben, dass er in der Nähe vom Kaknästurm stehen würde, aber sie konnte ihn nirgendwo entdecken. Sie versuchte, ihn zwischen den Bäumen am Wegesrand auszumachen,
er muss hier doch irgendwo sein
. Linn schaltete das Fernlicht wieder ein, um besser sehen zu können. Und da erblickte sie ihn. Der Hund stand völlig unbeweglich mitten auf dem Weg, seine Augen reflektierten das Scheinwerferlicht wie zwei grelle Taschenlampen.
Linn trat das Bremspedal durch. Im Bruchteil einer Sekunde wurde Linn wie eine leblose Puppe nach vorn geschleudert und knallte mit der Stirn auf das harte Lenkrad. Der Schmerz war unbeschreiblich, und sie schnappte laut nach Luft. Einen Moment lang blieb sie reglos vornübergebeugt sitzen, benommen von dem heftigen Kopfschmerz. Dann lehnte sie sich im Fahrersitz zurück und führte keuchend eine Hand zum Mund.
Verwirrt starrte sie durch die Windschutzscheibe.
Der Hund. Wo war der Hund?
Er war verschwunden. Außer Regen, der in Strömen fiel, konnte sie im Scheinwerferlicht nichts erkennen.
Ist er etwa unterm Auto?
Ihr Herz klopfte wie wild, gleichzeitig kamen ihr die Tränen.
Unter großer Anstrengung öffnete Linn die Fahrertür und stieg zitternd aus dem Wagen. Der Hund lag im grellen Licht der Scheinwerfer vor dem rechten Vorderrad. Es war ein kleiner, schwarzer Terrier. Beschämt hockte sie sich neben das augenscheinlich verletzte Tier. Ihr Kopf schmerzte fürchterlich.
Vorsichtig streckte sie ihre Hand aus und legte sie dem Tier auf den Brustkorb, der sich heftig hob und
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