Bittere Sünde (German Edition)
über die Sommerferien zu Verwandten geschickt und dort vergewaltigt und misshandelt. Das ist unvorstellbar schrecklich.«
Magnus rührte in seinem Kaffee. »Ja, es ist ganz schön erschreckend, dass sich ausgerechnet zwei so bösartige Menschen wie Gösta und Gunvor getroffen haben. Aber dass sie auch noch Lidhman dazugeholt haben, um sich an einem 15-jährigen Mädchen zu vergehen, da fehlen mir die Worte. Und wieso haben sie bloß Erik gezwungen, bei ihren gestörten Aktivitäten in der Scheune zuzusehen?«
Linn zuckte mit den Schultern: »Ich kann es mir nicht erklären. Vielleicht wollten sie ihn erniedrigen? Vielleicht haben sie sich für seine geistige Behinderung geschämt? Vielleicht haben sie ihn ja sogar gehasst?«
Magnus wirkte resigniert. »Von der ganzen Geschichte wird mir immer noch so schlecht, dass ich sofort kotzen könnte.«
Linn stellte vorsichtig ihre Tasse auf den Tisch. »Ich bin jedenfalls mittlerweile davon überzeugt, dass es Erik war, der damals den Hund gequält und dann getötet hat. Wahrscheinlich hat er die ganze Gewalt, die er erfahren hat, weitergegeben«, sagte sie nachdenklich. »Das muss ja die Hölle auf Erden gewesen sein für ihn. Und er war völlig machtlos. Aber den Hund konnte er beherrschen. Vielleicht war das sein Weg, mit all seinen Erlebnissen fertigzuwerden.«
Magnus blieb eine Weile still. Das klang sehr einleuchtend. Er ließ seinen Blick zu Moa und Elin wandern, die mit einem Eimer Fichtenzapfen sammelten. Sie wirkten rundum sorglos, worüber er glücklich lächelte.
»Stefan Metzén hatte auch nicht gerade eine einfache Kindheit. Seine Mutter litt ja klar unter Alkoholsucht. Was meinst du?«
Linn legte den Kopf schief. »Ach, ich weiß nicht. Man macht es sich vielleicht ein bisschen leicht, wenn man bei jedem, der gewalttätig wird, gleich auf eine schwere Kindheit schließt. Aber wenn ich so darüber nachdenke, was er seiner Mutter angetan hat, dann scheint er doch ein ziemliches Problem gehabt zu haben. Vermutlich hat er in Annika eine Seelenverwandte gesehen. Sie waren ja beide gebrochen, jeder auf seine Weise.«
Magnus nahm sich ein Stück Kuchen. »Das glaube ich auch. Ich habe mit einer Therapeutin gesprochen, die Stefan im vergangenen Jahr ein paar Mal aufgesucht hat. Sie hatte ihm ganz klar gesagt, er müsse die dunklen Erinnerungen loswerden, damit es bei ihm überhaupt Raum für Gutes und Licht geben könne. Er muss sehr sonderbar gewirkt haben, als er an diesem Tag ging, und er ist danach nie wieder zu ihr zurückgekehrt. Die Therapeutin sagte, sie hatte den Eindruck, dass er sie vielleicht falsch verstanden hat.«
Linn kippte den restlichen Kaffee aus ihrer Tasse auf die Wiese. »Ja, das war wohl das Entscheidende«, sagte sie mit Bestimmtheit.
»Bitte was?« Magnus sah sie stirnrunzelnd an. Es dauerte eine Weile, bis er verstand, was sie meinte. Dann seufzte er tief. »Hätten wir uns nicht so sehr an Pedro Estrabou festgebissen, hätten wir ihn sicher eher gefunden.«
Das ließ sich nicht leugnen. Linn schaute zur Fichte, hinter der gerade Moa ihren Kopf hervorsteckte und laut lachte.
Sie wandte sich wieder Magnus zu. »Wo ist der eigentlich hin?«
»Das weiß keiner so genau. Aber dank der Daten auf seinem Computer konnten wir rekonstruieren, dass er Josef Lidhman seit Jahren erpresst hat. Das Geld hat er dann regelmäßig seiner Mutter nach Argentinien überwiesen.«
Linn pfiff durch die Zähne. »Irgendwie erkenne ich da sogar einen Funken Gerechtigkeit. Aber die Frage bleibt offen: Wo steckt er?«
»Keine Ahnung, aber das ist mir auch ziemlich egal, dafür bin ich nicht zuständig«, antwortete Magnus unbekümmert.
Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte er wieder rundum glücklich. Das unangenehme Kribbeln in den Beinen war fast ganz verschwunden, und sie hatten tatsächlich ihr Traumhaus gefunden, ein grünes Reihenhaus aus Holz direkt am Wasser. Die Kinder spielten, und es war Frühling. Alles war gut.
Linn schaute nachdenklich über die Wiese und kaute an einer Zimtschnecke. Sie selbst schlief ruhiger des Nachts, aber wie erging es dem Mann, der von Pedro Estrabou über Jahre gequält worden war? Fand er Ruhe, wenn er doch wusste, dass sein ehemaliger Peiniger frei herumlief? Linn biss sich auf die Lippen.
Sie würde nie erfahren, dass Carlos Fernandez das erste Mal seit Jahrzehnten wieder ruhig schlief. Er lag Nacht für Nacht in den Armen seiner geliebten Karina in der glücklichen Gewissheit, dass sein Problem für alle
Weitere Kostenlose Bücher