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Bitterer Chianti

Bitterer Chianti

Titel: Bitterer Chianti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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zur nächsten Fassreihe, wo er sich festhielt und seine Sinne auf die Dunkelheit richtete. Wer kam da?
    Es war, wie er gedacht hatte. Zwei Schritte hörte er noch, vermutlich aus dem übernächsten Keller, doch dann war es wieder still. Er hatte es sich nicht eingebildet, da war tatsächlich jemand, und diese Person verfolgte üble Absichten, sonst hätte sie sich bemerkbar gemacht.
    Wenn ihm jemand in einem der angrenzenden Räume auflauerte und er hier blieb, unbeweglich, musste der andere sich bewegen, um an ihn heranzukommen. Frank kauerte sich zwischen zwei Fassreihen und wartete. Wieder hörte er etwas, nur ließ sich das Geräusch nicht orten, er wusste nicht, ob es von vorn oder von hinten kam, der Schall brach sich an Wänden und Rundbögen und wurde als Echo zurückgeworfen. Und er kauerte auf dem kalten Boden, ohne Möglichkeit zur Gegenwehr. Hier im Licht seiner Strahler saß er auf dem Präsentierteller, ein leichtes Ziel. Das Fatale war, dass man durch die untereinander verbundenen Kellerräume von zwei Seiten an ihn herankommen konnte.
    Die Konzentration auf die Stille schmerzte in seinem Kopf: Nichts. Doch ... da war es, ein Schlurfen, ein Schritt. Sandkörner knackten unter einer Sohle. Frank robbte zum Gang, um an die Kabeltrommel zu kommen und den Strom zu unterbrechen. Dann wäre es überall dunkel. Er sprang auf, huschte zum Transformator, und als er sich nach dem Hauptschalter bückte, hörte er ein Geräusch, als wenn jemand einen Korken aus der Flasche zöge, spürte gleichzeitig einen Lufthauch, und etwas knallte in das Holz des Fasses. Im selben Moment erlosch das Licht, und Frank warf sich zu Boden. Da hatte jemand geschossen, er roch es, der Luftzug wehte ihm den Gestank von Pulver zu. Da war jemand mit einer Pistole, das konnte nur der Prediger sein – und er hatte mit ihm dasselbe vor wie mit Carla Tuccanese. Zumindest wusste Frank jetzt, aus welcher Richtung der Angreifer kam.
    Die Angst war wie weggeblasen, Frank war wieder klar im Kopf. Jetzt kam ihm sein fotografisches Gedächtnis zugute. Er wusste, wie die Reihen mit den Fässern ausgerichtet waren, dass es Doppelreihen waren, an die man von jeder Seite herankam, und es standen wegen der beengten Verhältnisse hier unten höchstens drei oder vier Barriques nebeneinander. Rechts war ein langer und ein wenig abschüssiger Gang, links ein Raum mit einem Knick. Sein unsichtbarer Gegner war, wenn Frank sich nicht täuschte, zum ersten Mal hier unten. Stefano Scudiere würde sich in Bezug auf die Örtlichkeit bestimmt erinnern, aber weder hatte er für Solcari gearbeitet noch würde er Frank mit dem Revolver jagen. Es kam nur der Prediger infrage. Frank wusste, wie er hinten herum aus dem Keller entkommen konnte, aber jetzt hatte er die Chance, den Prediger auszuschalten.
    Zum Umstellen seiner Geräte brauchte Frank nur wenige Handgriffe. Die Geräusche, die er dabei machte, würden dem Prediger seinen Standort verraten, und genau das bezweckte er. Als er die Taschenlampe einschaltete, schoss der Prediger sofort auf den Punkt, wo der Lichtstrahl die Gewölbedecke traf. Frank hatte genug gesehen: Der Prediger stand vor dem Durchgang zu seinem Keller – und in Reichweite der großen Blitzlampe auf dem Dreibein. Der Prediger machte einen Schritt und stieß gegen das Kabel, das quer durch den Gang gespannt war. Die Lampe kippte nach vorn auf den Prediger, Frank schaltete das Licht ein. Jetzt ging alles rasend schnell.
    Die 500-Watt-Lampe ging an, der blendend helle Schirm stürzte auf den Prediger; der stolperte, riss im Fallen die linke Hand hoch, um sich zu schützen, und schoss wieder. Frank stieß eines der leeren Fässer, dessen Befestigungskeil er zuvor gelockert hatte, in Richtung auf seinen Gegner. Mit zwei Objekten, die gleichzeitig auf ihn zukamen, war der Mann überfordert, rappelte sich auf, sprang zurück, prallte gegen die Wand, wollte sich gegen das anrollende Fass stemmen und verlor dabei die Pistole, das Fass warf ihn gegen die Wand. Dann zerschellte die Blitzlampe am Boden, und schlagartig wurde es wieder dunkel.
    Der Schrei des Predigers hallte grauenhaft durch die Räume und brach sich an jeder Ecke. Frank sprang mit dem kurzen Stativ in Händen aus der Deckung hinter den Fässern, schaltete den zweiten Scheinwerfer ein und stürzte sich auf ihn. Er wäre bereit gewesen, ihm den Schädel einzuschlagen, aber der Prediger schrie und schrie. Er saß mit dem Rücken an die Wand gelehnt, seine Augen waren weit aufgerissen, er

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