Bitterer Chianti
bist du schon los, jetzt ist dein Weingut dran. Und was dann? Immer zurück, immer klein beigeben? Niemand ist unbesiegbar, auch wenn er Massimo heißt. Und mir will so ein dahergelaufener Politiker vorschreiben, wo und was ich zu fotografieren habe? Nein, meine Liebe, das nicht. Ruf Wanda an, bring all die Winzer zusammen, die von der Sabotage betroffen sind ...»
«Glaubst du etwa an Solidarität? Die Leute sind undankbar und wankelmütig, es geht ihnen nur um Gewinn – das ist nicht von mir, sondern von Machiavelli.»
«Eben, wo es doch um ihren eigenen Arsch geht! Entschuldige. Denk an Wandas Mut und an den Hass von Malatesta. Sage ihm, wir wüssten, wer seine Pferde umgebracht hat, das Fohlen, dann ist er in fünf Minuten hier und macht alles nieder. Er ist der Härteste von allen. Lass mir morgen dein Handy hier, dann kann ich mich mit dem Grafen verabreden. Ich muss sowieso noch in seinen Keller. Und du? Bleibst du hier, heute Nacht?»
«Wie soll das gehen, auf dem schmalen Bett?»
«So wie vorgestern ... wir müssen ja nicht schlafen ...»
Unbehelligt erreichte Frank am nächsten Tag das Castello des Grafen Solcari. Der war wie beim ersten Besuch auf dem Weg vom Consorzio hierher und würde jeden Moment eintreffen, sagte die Sekretärin, Frank solle ruhig mit der Arbeit beginnen, und schloss die Tür zum Keller auf. Aufgrund besonderer Klimabedingungen in diesem Teil des Chianti Classico wurden die Trauben auf Solcaris Weinberg zuletzt reif, er wollte morgen mit der Lese beginnen.
Frank fuhr den Wagen direkt vor die Kellertür und lud sein Equipment aus. Er schleppte die Kameras, Kabel, Akkus und Reflektorenschirme über die Eisentreppe nach unten, vorbei an der langen Reihe gemauerter Tanks, die bei vielen Winzern statt des Edelstahls wieder in Mode kamen und innen mit Kunstharz ausgekleidet waren. Als alles beisammen war, stellte er die Blitzlampen und Schirme in einem der hinteren Barriquekeller auf. Hier war das Kreuzrippengewölbe am besten erhalten, und auf dem fünfhundert Jahre alten Mauerwerk zeigten sich die wenigsten Flecken. Insgesamt gab es fünf unterschiedliche Kellerräume, alle verwinkelt, ineinander übergehend und dem U-förmigen Grundriss des Kastells folgend. Es musste eine verteufelte Mühe sein, die schweren 225-Liter-Fässer durch die Räume zu bewegen, sie zu befüllen und den Wein schließlich abzuziehen. Es roch nicht muffig, aber es roch nach Wein, nach Zimt vom Holz und nach altem Gemäuer.
Frank zog etliche Meter Kabel von der Trommel, um den Transformator mit der nächsten Steckdose zu verbinden, und stolperte beim Zurückgehen darüber. Mit dem Fuß schob er das Kabel an die Seite des Gangs und stieß gegen ein Fass. Es klang hohl, so wie die anderen drei, die dicht daneben auf Balken lagen, von groben Keilen am Verrutschen gehindert.
Die Fotos würden die wenigste Arbeit machen, eine Belichtungsreihe bei verschiedenen Blenden dauerte nicht lange, aber davor musste der Raum ausgeleuchtet werden, und er war seit einer Stunde konzentriert bei der Sache, als er einen Windhauch wahrnahm. Kurz danach fiel die Kellertür ins Schloss. Endlich, Graf Solcari war eingetroffen. Frank konnte Weiterarbeiten und dabei dem Grafen seine Beobachtungen mitteilen. Es war höchste Zeit.
Aber dem Schlagen der Tür folgte nicht das Geräusch von Schritten. «Conte Solcari?» Franks Ruf hallte durch die Keller und verlor sich zwischen den Wänden.
«Conte? Sind Sie das?» Frank hielt inne – und lauschte. Er hatte wirklich Schritte gehört, er irrte sich nicht – etwas wie rollende Kiesel auf dem Steinboden – oder? Die Kellerbeleuchtung erlosch. Angestrengt lauschte er in die Dunkelheit hinein und hörte doch nur seinen eigenen Atem.
Leise legte er die Kamera auf das nächstliegende Fass und schob einen der beiden Scheinwerfer weiter nach rechts. Wieder lauschte er und wurde unruhig. Da war jemand! Er täuschte sich nicht. Er war hier unten nicht mehr allein. Erst jetzt sah er das Schattenspiel zwischen den Fässern, die bodenlose Finsternis am Ende des Gangs, eine Dunkelheit, die alles in sich aufsog. Und irgendwo tropfte Wasser. Es sträubten sich nicht nur die Nackenhaare, Frank hatte das Gefühl, dass sich sogar die Härchen auf seinen Armen aufrichteten.
Ich werde ein paar Schritte machen und dann still stehen, dachte er, vielleicht konnte er so den anderen zu einer Bewegung veranlassen und dadurch seinen Standort lokalisieren. Drei Schritte brachten Frank quer durch den Gang
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