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Bitterer Chianti

Bitterer Chianti

Titel: Bitterer Chianti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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war Commissario Sassarella Strozzis Mann? Daher war der Avvocato über die Ermittlungen informiert.
    «Meinen Sie, dass jemand mit ihm – äh – reden sollte?»
    Was Strozzi sagte, verstand Frank nicht mehr, denn in diesem Moment wurde der Motor des Wagens angelassen.

16
    Donnerstag/Freitag, 7./8. Oktober
    Zwei Windlichter erhellten notdürftig den Tisch vor dem Haus im Wald, an dem Strozzi und Vanzetti am späten Nachmittag gesessen hatten. Antonia legte ein weißes Tuch auf die verwitterten Bretter und stellte Wein- und Wassergläser vor die Teller. Sie hatte bis um 22 Uhr in der Kellerei gearbeitet und danach alles im Wagen hergebracht.
    Es war auch für italienische Verhältnisse zu spät zum Essen, doch es bedeutete für sie die einzige Chance, sich mit Frank ungestört zu treffen; ihr erschien dieser Platz sicher, zumal Vanzetti mit Geschäftsfreunden in Florenz verabredet war.
    Die Szenerie war schon eigenartig. Ungewöhnliche Situationen waren Frank durchaus nicht fremd, der Beruf brachte das mit sich – aber ein Festessen um Mitternacht, mitten im Wald mit einer Frau, deren Ehemann ihn vermutlich mit zwei anderen auf die Todesliste gesetzt hatte, mit der Selbstverständlichkeit eines Hobbygärtners, der die Maulwürfe in seinem Garten vergast? Frank fühlte sich, als ginge er auf Zehenspitzen an einem Abgrund entlang – auf den Himmel zu. Innerlich aufgewühlt, zwischen Panik und Verliebtsein, dem Wunsch zu bleiben, sich ganz an diesen Augenblick verlieren, und gleichzeitig erinnerte ihn der Autoschlüssel in der Hosentasche daran, dass er jederzeit verschwinden könnte. So hatte ihn in seinem Leben nur Christines Geburt aufgewühlt.
    Der Wald ringsum schloss ihn und Antonia gegenüber der Welt ab. Es war ihr Universum, mit niemandem mussten sie die Sterne teilen, die so stark funkelten, dass man glaubte, sie greifen zu können. Frank betrachtete Antonias Hände, als sie ein Messer zurechtrückte, ein Glas nach rechts schob, wie sie sich aufrichtete, das widerspenstige Haar zum dritten Mal verzweifelt im Nacken zusammenband und dabei befangen lächelte. Eigentlich waren beide todmüde, doch in diesen Momenten des Kennenlernens fühlten sie sich ungeheuer wach.
    Antonia eröffnete das Essen mit Crostini al Fegato, nur leider waren die gerösteten Brotscheiben nicht mehr ganz kross, dafür war der Aufstrich aus Hühnerleber, Speck, Petersilie und Sellerie für Frank etwas absolut Neues und schmeckte ausgezeichnet. Antonias Chianti Classico aus dem Millenniumsjahrgang 2000 fügte sich hervorragend ein. Es war kein hundertprozentiger Sangiovese, allerdings frisch wie die meisten guten Weine dieser Rebsorte, und er besaß sowohl Tiefe wie auch ein schönes Aroma von Waldbeeren. Frank meinte, Blaubeere und Kirsche zu riechen, aber mit Veilchen, dem angeblich typischen Duft des Chianti Classico, haperte es wieder.
    «Wahrscheinlich weißt du nicht, wie Veilchen riecht.»
    «Und wie riecht es?», fragte Frank.
    «Na, wie Veilchen eben, und Blaubeere wie Blaubeere, beschreiben lässt sich Wein nur mit Vergleichen, die andere nachvollziehen können, und nicht mit prosaischen Sätzen. Den hier hab ich noch im alten Stil gemacht, mit weißen Rebsorten, Malvasia und Trebbiano – schön frisch und doch fest, oder?»
    Frank zuckte mit den Achseln. Wie konnte ein Wein fest sein? Aber er genoss ihn, und er passte zum Essen. Der Risotto mit Pilzen war noch warm, Antonia hatte ihn in einer feuerfesten Form heruntergebracht, das Ragout des süß-sauren Wildkaninchens musste warm gemacht werden, und Frank zündete im alten Küchenofen ein Feuer an. Hoffentlich roch niemand den Rauch und alarmierte bei der akuten Waldbrandgefahr die Feuerwehr. Das wäre ein unpassendes Ende für dieses überaus gelungene Nachtmahl.
    Es half Frank, sich aus der Spannung zu befreien, die ihn seit Strozzis und Vanzettis Abfahrt gefangen genommen hatte. Als er meinte, das nötige Fingerspitzengefühl zu haben, um Antonia von dem Treffen der beiden Männer hier zu berichten, beschrieb er das, was er am späten Nachmittag gehört hatte.
    Verständlicherweise war Antonia entsetzt, mit aller Kraft wehrte sie sich gegen den Gedanken, dass Massimo ein Verbrecher war, ein Krimineller, der andere sogar zum Mord anstiftete. Wie auch immer sie zu ihm stand – er war der Vater ihrer Kinder!
    Vanzetti hatte bislang zwar niemanden umgebracht, aber er gab den Auftrag dazu. Frank nannte es «eine neue Qualität», er hatte diesen Ausdruck gewählt, um

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