Bitterer Chianti
ihn ebenfalls auf die Dachterrasse. Es würde ein interessanter Abend werden ...
«Jetzt bist du aber dran», sagte Frank zu Scudiere. «Erzähl mir alles, was du weißt, und fahr langsam, wir sind zu früh. Entweder du spielst den Kronzeugen, dann schützt dich auch die Polizei, oder deine Freunde bringen dich um, so wie Signora Tuccanese. Übrigens, der Kerl da eben in dem Keller, der sollte nach meinem Tod seinem Kollegen im Krankenhaus die Schläuche rausziehen, dann wollten sie dich abservieren, technisch sei alles geregelt, haben sie gesagt. Zuletzt sollte der Ami nach Südafrika, wahrscheinlich, um dort zu verschwinden. Feine Freunde hast du, Stefano. Los, und jetzt rede endlich!»
Scudiere begann stockend. Massimo Vanzetti hatte ihn vor etwa drei Jahren angesprochen und gefragt, ob er sich an einem globalen Projekt beteiligen wolle. Er bot ihm die Chance, zwischen fünfzehn und fünfundzwanzig Weingüter zu betreuen, er müsse die Vorarbeiten leisten und die Auswahl in Bezug auf die geeigneten Güter treffen. Er sei der ideale Mann dafür, die Winzer hätten Vertrauen, er sei angesehen und könne sich überall bewegen, ohne dass es auffallen würde. Da war nichts Illegales dran gewesen. 100000 Euro pro Jahr hatte Vanzetti ihm gezahlt.
Mit dem Ziel des Projekts hatte er ihn erst nach und nach vertraut gemacht: Zwanzig Weingüter sollten zu einer Großkellerei zusammengefasst werden, um mit ihnen einen homogenen Wein zu schaffen, einen Chianti Classico für den breiten Geschmack – rund, weich, voll, nicht zu viel Tannin, und fruchtig, einfach zu trinken. So ein Wein würde natürlich nicht mehr die Eigenheiten ausdrücken, die sich durch das Terroir der einzelnen Winzer ergaben, durch Boden und Mikroklima. Einen Wein für den Weltmarkt wollten sie, den man in französischen Supermärkten genauso gut verkaufen könnte wie in nordamerikanischen Weinhandlungen.
Frank schüttelte den Kopf. «Nach außen hin vertrittst du ganz andere Positionen, und man nimmt es dir sogar ab.»
«Das ist auch meine echte Überzeugung ...»
«Was bei dir echt ist, das werden wir nachher sehen; erzähl weiter!»
«Vanzetti kauft Firmen und fügt sie zusammen, er denkt eigentlich nur in Strukturen», sagte Scudiere gerade in dem Moment, als sie die Baustelle passierten, in die der Wagen der Prediger gerast war. «Das hast du ziemlich cool angestellt, mit dem Wagen, so wie der Ami das erzählt hat.»
«Und den hast du vorhin gefahren, damit er mich umbringt. Lenk nicht ab, Stefano!» Frank hob die Pistole, um seine Worte zu unterstreichen. «Weiter!»
Der Consultore gab sich einen Ruck. «Der Dottore, wie ihn alle nennen, redet nur über Konzentration der Kräfte, Konzentration von Manpower, Konzentration von Kapital, Kostensenkung und mehr Einsatz von moderner Technologie – die US-Amerikaner, die Australier, alle würden es uns vormachen. Nur die Europäer seien hinter dem Mond. Ausschließlich Global Player hätten zukünftig eine Chance, alle anderen würden kaputtgehen. Wer bei der Globalisierung nicht dabei sei, dem drohe der wirtschaftliche Tod.»
«Und wer dabei nicht mitmacht, dem habt ihr mit dem physischen Tod gedroht», fuhr Frank dazwischen.
«Ich habe niemanden bedroht», verwahrte sich Scudiere.
«Nein, du nicht, Stefano. Du bist nur die Weinberge abgelaufen, camminare la terra – oder wie hast du gesagt? Und hast die Weingüter ausgesucht, und darüber bin ich dir auf die Spur gekommen.»
«Du?»
«Ja, ich. Ich habe allerdings von einem Geologen erfahren, dass die Güter, bei denen es diese Sabotageakte gab, etwas gemeinsam haben, nämlich die chemische Zusammensetzung des Bodens und die Höhenlage. Nach deiner Philosophie vom Terroir fehlt nur noch das Klima. Weiter, wer ist das in San Francisco?»
Frank spürte, wie viel Überwindung es Scudiere kostete, darüber zu sprechen. Auch für das, was er jetzt erzählte, hatte Massimo Vanzetti den Anstoß gegeben. Er hatte das Projekt aufbauen und dann einem Getränkekonzern übergeben wollen, der weltweit operiert: «Woodlands heißt der Konzern mit Firmensitz in San Francisco. Aber die sind auch in Spanien, da machen sie Sherry, in Mexiko Tequila, in Frankreich Armagnac und so weiter, in Deutschland Markenweine, immer nationale Spezialitäten, die sie dann als einheimisches Produkt verkaufen. Alles Schmu, alles nur Image, aber so ist es eben.»
«Wer hat das alles finanziert?», fragte Frank nach einer Zeit des Schweigens. «Consultori wie dich, Stefano,
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