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Bitterer Chianti

Bitterer Chianti

Titel: Bitterer Chianti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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...»
    «Deine nicht?» Während Paese schimpfend im Haus verschwand, ging Frank zum Wagen und schob lustlos die Fototasche auf die Ladefläche. Das war wieder nicht sein Tag. Er hatte lediglich die Hälfte von dem erledigt, was er sich vorgenommen hatte. Das Porträt von Paese fehlte, die Kiste mit den Rebstöcken in der Hand, ein freundliches Gesicht.
    Scudiere war Frank gefolgt. «Eigentlich hätten wir einige Weine verkosten müssen, damit es nicht bei Trockenübungen bleibt. Wir müssen das auf jeden Fall nachholen. Morgen findet übrigens eine wichtige Verkostung statt: Der Chianti Classico vom letzten Jahr wird vorgestellt, das heißt der Presse und einem Gremium des Consorzio. Findet in Siena statt. Wusstest du davon?»
    «Nein, aber wahrscheinlich hatte deshalb morgen Nachmittag niemand Zeit», sagte Frank und schob die Fototasche in einen großen Plastiksack, um sie vor dem feinen Staub zu schützen, der beim Fahren auf den unbefestigten Wegen durch alle Ritzen drang und die Optik beschädigen könnte. «Wo findet das statt?»
    «Im Ospedale Santa Maria della Scala, direkt gegenüber vom Dom. Den kann man gar nicht verfehlen.»
    Frank fand im Wagen ein Handtuch, um sich Gesicht und Nacken abzutrocknen. Es war ein bisschen schmuddelig, aber besser als nichts. «Ich bin vor einigen Jahren mal in Siena gewesen, habe mir die Sehenswürdigkeiten angesehen.»
    «Den Dom findest du bestimmt.»
    «Das denke ich auch. Braucht man eine Einladung?»
    «Ich sehe zu, dass du auf die Gästeliste kommst. Sonst fragst du am Eingang nach mir, ich hole dich beim Pförtner ab. Oder du rufst mich an. Du hast ein Handy?»
    Frank schüttelte den Kopf.
    «Ma – non fa mente, macht nichts. Du musst auf jeden Fall kommen. Zum einen, um zu probieren, zum anderen triffst du dort alle, die in Bezug auf den Chianti Classico wichtig sind – na, die Unwichtigen auch. Welche Güter fotografierst du noch?»
    Frank ging zur Fahrertür und nahm seine Agenda. «Auswendig weiß ich das nicht...»
    «So genau wollte ich das gar nicht wissen ...»
    Frank blätterte im Terminkalender: «Heute Nachmittag bin ich bei Rondine ... morgen bei Malatesta ...»
    «Dann sehen wir uns morgen wieder. Malatesta wird auch von mir beraten. Ein eigenwilliger Typ, extrem, nicht besonders gut gelitten hier, weil er ... sagen wir mal ... etwas aggressiv ist, seine Art eben. Aber seine Weine sind hervorragend. Nun gut, du wirst ihn kennen lernen. Wer noch?»
    «Übermorgen das Podere Vanzetti, dann Wanda Livonardi, Strozzi...»
    «Eine gute Auswahl. Wer hat sie getroffen?»
    «Der Journalist, der den Weinführer schreibt, Oberländer.»
    «Diese Weine wirst du alle in Siena finden. Die Winzer oder ihre Önologen werden auch da sein. Es ist gut, die Leute schon vorher zu kennen, dann ist es beim Fotografieren einfacher. Mit den meisten kommt man gut aus. Und nimm dir Zeit, um das Hospital zu besichtigen, es ist eines der ältesten in Italien ...» Scudiere klopfte Frank auf die Schulter. «Ich kümmere mich jetzt um Paese und um ein Notstromaggregat. So etwas Blödes passiert immer direkt vor der Ernte. Ciao Franco, stammi bene.»
    «A domani, Stefano.» Auch Frank war ohne Umstände zum Du übergegangen. Der gute Draht zu dem Consultore konnte Türen öffnen, außerdem war er sympathisch, und Frank konnte eine Menge lernen. Kurz darauf, als er, eine Staubfahne hinter sich lassend, den Berg hinunterfuhr, fiel es ihm wieder ein. Sollte er ihm von dem Überfall erzählen? Die Prediger hatten sich offenbar nach ihm erkundigt. Das bedeutete, dass er aus dem Hotel verschwinden musste. Wer nichts Böses im Schilde führte, hätte bei Laura seine Visitenkarte oder zumindest eine Telefonnummer hinterlassen. Laura ... dieses Mädchen war eine Qual. Auch ihretwegen musste er schleunigst umziehen.
    Statt direkt nach Castellina zu fahren, bog er an der Chianti-giana rechts ab und fuhr nach Panzano hinauf. Er klapperte Hotels und Privatunterkünfte nach freien Zimmern ab, aber entweder waren sie belegt oder zu teuer. Total entnervt hielt er gegenüber dem Café La Curva , wo die Straße zum alten Ortskern abzweigte, und ließ sich einen doppelten Espresso und danach einen Eisbecher mit Sahne bringen und genoss beides im Schatten unter den Platanen. Zumindest war für diesen Augenblick die Welt in Ordnung.
    Kaum war er zurück im Hotel, versperrte Laura ihm den Weg und pochte auf die Erfüllung seines Versprechens. « Quando? Wann?», war ihre stereotyp wiederholte Frage. Es

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