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Bitterer Chianti

Bitterer Chianti

Titel: Bitterer Chianti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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Betriebswirtschaft studieren und in unser Unternehmen einsteigen, eine Spedition. Aber ich habe es gehasst, immer Stress, immer in Eile, und Logistik interessiert mich nicht, außer es geht um Weintransporte. Ich habe Geschichte studiert.»
    «Und wie kommt man dann ... äh ... an ein Weingut?»
    «Mein Vater hat einem Vetter viel Geld geliehen, und der hat das Podere Rondine als Sicherheit angeboten. Als der Vetter zahlungsunfähig wurde, besaßen wir plötzlich ein Weingut. Jemand musste sich darum kümmern, und da hat man mich als das schwarze Schaf der Familie hierher abgeschoben. So bin ich Winzer geworden.»
    Dabei schien Renato Benevole alles andere als unzufrieden zu sein. Der Fünfunddreißigjährige wirkte ausgeglichen; was er hier betrachtete, gefiel ihm. Und sein Stolz, das auch dem interessierten Besucher vorzuführen, war offensichtlich.
    Mit der Hand am Geländer tastete Frank sich hinter dem Winzer in den Keller. Es roch süßlich, nach Gewürz, irgendwie bekannt, Frank hatte den Geruch in den letzten Tagen häufiger wahrgenommen. Heute fand er ihn besonders intensiv, da es auf der Treppe stockdunkel war, und er fragte sich bereits, ob auch hier der Strom ausgefallen war.
    Da schaltete Benevole das Licht ein. Sie befanden sich in einem Gewölbekeller mit zahllosen Fässern aus hellem Holz. Sie waren hüfthoch und lagen in Zweierreihen nebeneinander. Von ihnen ging dieser an Nelken oder Karamell erinnernde Duft aus. Die Spundlöcher waren entweder verkorkt oder mit einem gläsernen Verschluss versehen, aus dem Luft entweichen konnte.
    «Der Teil mit den Rundbögen ist der alte Keller, direkt unter dem Haus», erklärte Benevole. «Später haben wir angebaut, weil wir zu wenig Platz hatten, der neue Keller schließt daran an.»
    «Das habe ich oben gar nicht gesehen», sagte Frank.
    «Das kann man auch nicht, da liegt Erde drüber, und die ist bepflanzt.»
    «Und die Fässer hier?»
    «Sangiovese, was sonst, unsere wichtigste Rebsorte. Da drüben», Benevole wies auf eine Reihe von Fässern an der Wand, «da lagern Canaiolo und Colorino, zwei rote Rebsorten, mit denen bis vor wenigen Jahren der Chianti verschnitten wurde.»
    «Weshalb nimmt man die?»
    «Canaiolo macht den Wein robuster, und Colorino, wie der Name schon sagt, bringt Farbe mit. Aber wir sind dabei, auch mit Merlot und Cabernet Sauvignon zu verschneiden, wie viele andere auch. Wir bauen die Weine erst einzeln aus, dann stellen wir die Cuvée zusammen. Wie sie später miteinander reagieren?» Benevole lachte. «Das lernt man aus Erfahrung. Da erlebt man als Anfänger sein blaues Wunder. Was schief gehen könnte, geht auch schief...»
    Benevole drehte bei einem der Fässer den Stopfen heraus und schob einen Glaskolben durch das Spundloch. Er verschloss mit einem Finger die obere Öffnung des Kolbens, dadurch entstand ein Vakuum, das den Wein in der Röhre hielt, und ließ dann ein wenig Wein in zwei Gläser laufen. Eines gab er Frank.
    «Sangiovese aus dem letzten Jahr, ein Jahrhundertjahrgang. Wir hatten so viel Sonne, dass die Beeren an den Stöcken fast kochten. Schauen Sie, es ist ein schönes Rubinrot, später wird es sich noch verändern. Und riechen Sie mal!»
    Frank steckte die Nase ins Glas, so wie er es bei den Winzern gesehen hatte. Für ihn roch der Wein gut, aber nicht viel anders als andere, die er hier probiert hatte.
    «Was riechen Sie?», fragte Benevole.
    «Veilchen und etwas Kirsche, ja ... Nelke vielleicht?»
    «Schon ganz gut für den Anfang», meinte der Winzer wohlwollend. «Beim Geschmack wird es komplizierter. Da gehört einige Erfahrung dazu – und das entsprechende Vokabular.»
    Frank probierte und hatte ein leicht pelziges Gefühl im Mund. «Das kommt von der Gerbsäure, dem Tannin, nicht wahr? Aber er schmeckt und riecht ähnlich wie der, den wir gestern Abend getrunken haben.»
    «Welcher war das?»
    «Ein Chianti Classico von Giacomo Paese ...»
    «Natürlich. Zum einen ist es Sangiovese, zum anderen haben wir, Paese und ich, ungefähr denselben Bodentyp. Die toskanische Erde ist sehr unterschiedlich, im Wesentlichen haben wir vier Bodentypen. Hier, auf Podere Rondine, ist es Alberese: Sandgestein, ton- und kalkhaltig, Sie sehen das an den etwas schrofferen Bergen. An der Oberfläche finden wir an manchen Stellen auch Scaglie, da ist Alabastergips mit drin. Der Boden eignet sich nicht zum Weinbau. Nach Süden hin, in Richtung Siena, geht es wieder; da wird es flacher, die Hügel runder, das ist zuerst

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