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Bitterer Chianti

Bitterer Chianti

Titel: Bitterer Chianti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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und sie die Mörder wären, dann ... ja, was dann? Angst und klares Denken vertrugen sich nicht besonders gut, und er hatte einen Kloß im Magen. Er starrte den großen Ventilator an, der bewegungslos unter der Decke hing. Eine Frage stellte sich ihm, und sie wurde von Minute zu Minute dringlicher: Weshalb hatten sie ihn nur niedergeschlagen und nicht – genauso behandelt wie den Winzer und seinen Sohn?
    Frank stand auf, kämpfte sich zum Tresen durch, zahlte und quetschte sich an den anderen Gästen vorbei zum Ausgang. Dabei kleckerte ihm jemand Eis auf die Hose, ein Fuß war im Weg, und ohne überhaupt ein Gesicht wahrzunehmen, stolperte er die abschüssige Straße hinunter zu seinem Wagen. Verrannte er sich da in eine fixe Idee? Er wusste doch gar nicht, ob die beiden ermordet worden waren. Kamen die Prediger als Täter überhaupt in Betracht, wenn es sich tatsächlich um Mord handelte?
    Statt auf den Sitz hätte er sich auch auf eine heiße Herdplatte setzen können, so heiß war der Bezug. Das Lenkrad ließ sich kaum anfassen. Mit spitzen Fingern fuhr er hinunter nach Rondine. Als er die Tür aufschloss, merkte er, dass etwas nicht stimmte. Er schloss immer zweimal ab, hier brauchte er den Schlüssel nur einmal zu drehen. Er betrat das vordere Zimmer – und blieb wie angewurzelt stehen. Der Raum war durchsucht worden, der Koffer auch, sogar in der Tasche mit dem Waschzeug hatte jemand herumgewühlt. Auch die Papiere, Karten und Unterlagen der Weingüter lagen nicht so, wie er sie am Morgen zurückgelassen hatte. War das ein Zimmermädchen auf der Suche nach Geld gewesen?
    Wütend holte er die Lebensmittel aus dem Wagen, ging unter die Dusche, an eine Pause oder eine halbe Stunde Schlaf war nicht zu denken, und machte sich wieder auf den Weg. Alles raste an ihm vorbei, die Weinberge, Weingüter, Kellereien, er nahm sie kaum wahr. Der Wagen schlingerte auf dem Schotter durch die nächste Kurve. Fast hätte Frank die Abzweigung verpasst, die zur Burg des Grafen Solcari führte. Wie es sich für einen Adligen geziemte, lebte er auf einer Festung, Castello di Monteluna, aus dem 12. Jahrhundert.
    Eine mehr als hundert Meter lange Steigung, links Wein, rechts Olivenbäume, führte hinauf zur Burg. Der ehemalige Burggraben war zugeschüttet, aber einiges von den Mauern und Wehrtürmen war noch erhalten. Frank folgte einem Gang und gelangte in den Innenhof. Hinter einem vergitterten Fenster sah er Licht und trat durch eine Tür mit einem riesigen rostigen Schlüssel. Frank musste kräftig zupacken, um die angerostete Klinke herunterzudrücken, und betrat einen niedrigen Raum mit freiliegenden Deckenbalken. Eine Frau, keine 25 Jahre alt, blond gefärbt, schwarz gekleidet und von der Störung wenig angetan, richtete ihm aus, dass der Graf wegen eines wichtigen Termins sich entschuldigen ließe und er bitte warten möge. Sie wies auf einen Stuhl, Frank setzte sich, und die Sekretärin hockte sich wie ein Raubvogel vor ihren Computer.
    In das Büro drang nur wenig Tageslicht, die dicken Mauern ließen nichts von der Hitze draußen ahnen. Zuerst war die Kälte erfrischend, doch mit der Zeit wurde es unangenehm, und Frank begriff, weshalb die Frau, die sich kurz angebunden als Flavia vorgestellt hatte, hier drinnen einen dicken Pullover trug. Er stand auf und betrachtete die große Karte an der Wand, ein Messtischblatt, auf dem die einzelnen Lagen von Solcaris Weinberg eingezeichnet waren. Sie entfalteten sich von Osten nach Westen um den Berg herum und reichten bis ans nächste Dorf. Nur der Norden blieb ausgespart, ähnlich wie bei Malatesta.
    Das Büro war seit Jahrzehnten nicht modernisiert worden. Flavias Schreibtisch hatte gut dreißig Jahre auf dem Buckel, genau wie der Rollschrank für Aktenordner. Durch die vergitterten Schießscharten fiel nur wenig Licht. Aus dem angrenzenden Raum führte eine Art Leiter nach oben. Frank kam auf den Gedanken, dass man sie wahrscheinlich nach oben ziehen konnte, falls der Feind in die unteren Räume eindringen sollte. Bevor er weitere Überlegungen zur Verteidigung des Kastells anstellen konnte, holte ihn der Kellermeister zum Rundgang ab, und als er nach draußen trat, hatte Frank das inzwischen bekannte Gefühl, als ob ihm jemand auf den Kopf schlüge: Die Hitze schien undurchdringlich, die Helligkeit schmerzte.
    Der größte Teil des gräflichen Besitzes bestünde aus Wald, erklärte der Kellermeister, annähernd 150 Hektar. Wein würde auf einer Fläche von 40 Hektar angebaut,

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