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Bitterer Chianti

Bitterer Chianti

Titel: Bitterer Chianti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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gesetzt, ein Gegner weniger. Aber würde der zweite Mann jetzt nicht erst recht alles daransetzen, ihn zu finden?
    Worum ging es hier? Um Grundstücke, um den Kauf von Kellereien, um Weinberge? Für wen arbeiteten diese Killer, wer bezahlte sie? Oder ging es um Erpressung? Wer betrieb die Maklerbüros? Kapital und Grundstücke lösten sich nicht einfach in Luft auf.
    Ich muss besser aufpassen, sagte sich Frank, ich muss jeden Schritt planen, mir jeden Gesprächspartner ansehen, genau auf jedes Wort hören, auf jeden Unterton. Ich darf mich um Himmels willen nicht von Gefühlen leiten lassen, dazu steht zu viel auf dem Spiel. Er dachte an Christine. Sie würde ihn noch eine Weile brauchen. Nichts, aber auch gar nichts darf ich von jetzt an dem Zufall überlassen. Ich muss hinschauen, rangehen, ja, und noch einen Schritt, noch näher – und das nicht nur beim Fotografieren! Damit war er immer gut gefahren.
    Den Nachmittag über hielt er sich von größeren Ortschaften fern. An der östlichen Grenze des Chianti-Classico-Gebietes gab es eine Straße dritter Ordnung, manchmal nicht mehr als ein Feldweg, die kurz vor Florenz bei Strada begann und über Dudda und Lucolena bis nach Radda führte. Wenn er sich daran hielt, käme er zu Wanda Livonardi. Er wollte wissen, wie es weiterging. Und von da aus brauchte er lediglich eine halbe Stunde bis zu Antonia. Hoffentlich war ihr Mann nicht aufgetaucht.
    Und Frank fotografierte: Weinberge, Olivenhaine, Menschen bei der Ernte. Blaue Trauben, weiße Trauben, Pflücker im Licht des Nachmittags, Pflücker im Gegenlicht. Blumen vor der Kellerei und hinter ihr, Barriques von oben, von der Seite, große Fässer, leere Fässer und Betontanks. Flaschenlager, Hände mit Gläsern, Probierstuben und vom Wein überrankte Mauern, Torbogen und Dächer. Eine Reiterin im Weinberg, ein Arbeiter auf dem Schlepper, eine Afrikanerin mit einer Kiste Weintrauben auf dem Kopf...
    Ein schönes Bild, diese aufrechte Frau, das schönste an diesem Tag, Harmonie und Anmut in der Bewegung. Der Verlag wird es nicht nehmen, dachte Frank, sie wollen nur das sehen, was dem Klischee entspricht. Schwarze im Weinberg -das passte doch nicht in die Toskana, wenn in Wirklichkeit auch immer mehr Marokkaner die Italiener als Erntehelfer ablösten.
    Da schepperte das Handy. Es gab Tage, an denen klingelte es unablässig, an anderen wieder gar nicht, ärgerte sich Frank, da er anhalten musste, denn mit dem Telefon am Ohr auf dieser Piste weiterzufahren war gefährlich. Dass hier tatsächlich ein Fall von Gedankenübertragung vorlag, hatte er jetzt nicht erwartet.
    «Wieso melden Sie sich nicht? Was ist los mit Ihnen?»
    O Gott, nein, bitte das nicht – aber das Stoßgebet half nichts. «Ich habe im Verlag angerufen, heute Morgen ...»
    «Weshalb haben Sie das Hotel verlassen? Wir hatten es Ihnen extra besorgt! Wo stecken Sie eigentlich?»
    «Am Arsch der Welt», hätte Frank am liebsten gesagt, aber das wäre der Oberländer gegenüber dumm gewesen. Die Bildchefin des Verlags war für den rüden Umgang mit Fotografen berüchtigt, den sie an den Tag legte, nur nicht bei ihren Lieblingen. Die wurden gehätschelt, die nahm sie sogar mit ins Bett... Es schauderte Frank bei dem Gedanken.
    «Da staunen Sie, was? Ja, ich bin wieder gesund und munter, und eines sage ich Ihnen gleich: Von mir hätten Sie den Auftrag nicht bekommen, niemals. Sie eignen sich nicht dafür. Sie sind Reportagefotograf – aber Porträt und still life , das können Sie nicht. Nur weil ich krank war, deshalb sind Sie in der Toskana, damit das zwischen uns klar ist.»
    «Das weiß ich nur zu gut, Frau Oberländer.»
    «Dann ist ja alles klar. Meiner Vertretung übrigens wurde gekündigt. Die hat noch mehr solche Sachen gemacht, die falschen Leute engagiert.»
    Dann war ihr Mobbing also erfolgreich gewesen. Ein Jahr hatte sie gebraucht, um ihre Stellvertreterin rauszuekeln. Frank wusste, dass sich die beiden Frauen nicht ausstehen konnten. Sie hatten völlig unterschiedliche Vorstellungen von Fotografie, aber sie hatten für eine Balance gesorgt; für den Verlag war das Doppelgespann sehr nützlich gewesen. Jetzt hatte sich die Waagschale zu einer Seite geneigt. Frank hätte zu gern gewusst, ob die Oberländer eine «Vermittlungsprovision» von den Fotografen nahm.
    «Das Briefing wird geändert. Ich will schöne Bilder und keine Experimente, die Welt im Sonnenschein, verstehen Sie? Freude, Farbe, das wollen unsere Leser. Niemand will wissen, ob

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