Bitterer Jasmin
die Sache noch leichter. Sie fliegt aber zurück, wir dürfen also keine Zeit verlieren. Er hat Angst, weil Ardalan auch dort war.«
»Wundert mich gar nicht«, sagte Peters. »Vor dem hat wohl jeder vernünftige Mensch Angst. Ich habe gehört, wie du ihm Mut zugesprochen hast. Er hat doch hoffentlich nichts getan, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken?« Er stellte seine Frage ohne jede Spur von Erregung.
Der Syrer sah ihn einen Augenblick lang ebenso ruhig an, ehe er antwortete.
»Und wenn doch«, sagte er dann, »kennt er von uns nichts als diese Telefonnummer.«
»Lass ihn morgen aus Teheran schaffen. Das ist doch sicherer. Ardalan riecht Angst auf fünfzig Meter Entfernung.«
»Ich kümmere mich darum«, versprach der Syrer. »Das Datum ist also festgesetzt?«
»Wir fliegen übermorgen«, antwortete Madeleine. Sie stand auf und sammelte das schmutzige Geschirr ein. »Über Paris nach London. In Paris trennen wir uns und kommen in England an.«
»Dort machen wir dann die endgültigen Vorbereitungen«, setzte Peters fort. »Resnais trifft Madeleine in Paris; sie fliegen zusammen nach London.«
»Na, dann viel Glück.« Der Syrer stand auf und schüttelte beiden die Hände. Bei der Tür drehte er sich um und verbeugte sich leicht, hob dann die Faust zum Gruß und ging hinaus.
Madeleine brachte die Tassen in die Küche. Sie war kein häuslich erzogenes Mädchen. Im Haus ihrer Eltern in Beirut gab es ein Dutzend Angestellte. Der Luxus daheim war ihr sündhaft und degeneriert vorgekommen; sie hatte heftig dagegen protestiert, schäbige Kleider getragen und sich stolz unfrisiert sehen lassen. Schon bevor sie mit zwanzig ihre Familie verließ, hatte es ihr Spaß gemacht, das Gegenteil von dem zu tun, was ihre deutsche Mutter unter Ordentlichkeit verstand. Seit sie Peters liebte, zog sie sich gerne hübsch an und achtete sonst auf ihr Aussehen. Mit aller Leidenschaft ihrer halborientalischen Erziehung wollte sie Peters gefallen und vor allem von ihm hören, daß er sie liebte – ohne dabei zu erwarten, daß er das auch ehrlich meinte. Dafür war sie zu realistisch. Sie ließ die schmutzigen Tassen in der Küche stehen und folgte ihm ins Schlafzimmer. Er hatte schon das Hemd ausgezogen, Madeleine drängte sich an ihn, legte die Arme um seine Taille und streichelte ihn; sein muskulöser Körper erregte sie.
Ihre Koseworte flüsterte sie auf französisch; Englisch und Deutsch waren ihr zu grob und unromantisch. Er umarmte sie. Später, ehe sie in befriedigten Schlaf fiel, sagte sie ihm immer wieder, wie wunderbar er sei und daß sie ihn herrlich finde.
Er gab ihr keine Antwort. Sie war sehr wild im Bett, und ihm gefiel ihre Hingabe. Aber er liebte sie nicht, und ihre Sentimentalität störte ihn. In ihrem Kampf für die gemeinsame Sache war kein Platz für Gefühlsverwicklungen. Sex konnte man sich erlauben, auch, mit einer Frau zu leben. Aber Peters war es wichtiger, daß sie zusammen arbeiteten, als daß sie zusammen schliefen. Er rückte von ihr ab und vergaß ihre Anwesenheit sofort. Sein ganzes Sinnen und Trachten war auf die Details des Planes konzentriert, den sie bei der Konferenz in München im Mai gefaßt hatten. Die Mitglieder des Zentralkomitees konnten sich in Deutschland leichter unbemerkt treffen als in Damaskus, wo europäische Mitglieder den israelischen Geheimdienstlern aufgefallen wären. In der deutschen Bundesrepublik arbeiteten viele Araber, und die palästinensischen Mitglieder konnten ganz leicht als Arbeitskräfte einreisen, während Leute wie Peters als Touristen kamen. Das Treffen fand im Haus eines deutschen Zahnarztes in einem Arbeiterviertel statt. Ausländische Patienten gingen dort ein und aus, ohne daß man ihnen Beachtung schenkte. Die Konferenz wurde während der Sprechstundenzeit abgehalten. Peters gehörte bereits seit zwei Jahren dem Sonderkommando der palästinensischen Befreiungsarmee an. Im Namen der Roten Zelle, bei der er arbeitete, war er von Südamerika aus nach Ägypten gereist, und man hatte ihn von dort aus als Sonderbeobachter nach München eingeladen. Er verließ die Stadt mit dem Auftrag des Komitees, die wichtigste Mission gegen die Kräfte des westlichen Kapitalismus seit der Schließung des Suezkanals durch Nasser durchzuführen.
***
James Kelly wohnte in einem wunderschönen Haus in Shemiran, einer eleganten Vorstadt auf den unteren Hängen des Gebirges hinter Teheran. Die rosa Ziegelfassade des aus dem neunzehnten Jahrhundert stammenden Gebäudes war
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