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Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Titel: Bitterer Nachgeschmack - Anthologie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Senghaas , Iny Lorentz
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Mal. Févart und Silva sehen einander bedeutungsvoll an.
    »Sie ist von ihrem Leiden erlöst«, bemerkt Silva trocken, um irgendetwas zu sagen, und schließt ihr sanft die Augen. »Gott sei ihrer Seele gnädig und demjenigen, den die Schuld an ihrem Tod trifft.«
    Der Marschall von Sachsen erhebt sich mit gesenktem Kopf. Abwesend und erschöpft zieht er langsam die Tür des Krankenzimmers hinter sich zu. Er wird Paris noch heute Abend verlassen.
    Adrienne Lecouvreur starb am 20. März 1730 in Paris und wurde an der Uferböschung der Seine bestattet. Die Kirche, die die Schauspielerei verdammte, verweigerte ihr ein christliches Begräbnis. Ihr überraschender Tod wurde niemals restlos aufgeklärt - aber die gleichnamige Oper des Komponisten Ciléa machte sie unsterblich.

Gerit Bertram
Arsenik - Der Fall Sophie Ursinus
    G LATZ , N IEDERSCHLESIEN , AM 29. M ÄRZ 1836
    Das Krankenzimmer war geräumig und bot jeden erdenklichen Komfort, den ein Mitglied der vornehmen Gesellschaft erwartete. Gemusterte Vorhänge ließen den Raum weniger kühl erscheinen. Helles Sonnenlicht fiel durch das leicht geöffnete Fenster, brachte den Gesang einer Amsel hinein und zauberte diffuse Muster auf den Boden.
    »Nun, Frau Geheimrat, wollen Sie nicht doch eine Beichte ablegen?« Der Pfarrer, der soeben das Zimmer betreten hatte, musterte die Frau, die in den Kissen lag. Die Zeit war gnädig zu ihr gewesen, trotz ihres hohen Alters hatten die feinen Gesichtszüge nichts von ihrer Anmut verloren. Obwohl von der Krankheit gezeichnet, die sie seit Jahren plagte, war Sophie Ursinus noch immer eine gepflegte und würdevolle Erscheinung. Sein Blick wurde eindringlich. »Nur noch wenige Tage, vielleicht Stunden, dann stehen Sie vor Ihrem himmlischen Richter, Frau Ursinus.«
    »Steht es wirklich so ernst um mich?«, brachte die Frau auf dem Krankenlager hervor.
    »So jedenfalls äußerte sich Ihr Arzt.« Der Pfarrer zog sich einen Stuhl neben das Bett und setzte sich.
    »Die Gerüchte, die sich um Sie ranken, sind nie verstummt, Frau Geheimrat.«
    Ein schwaches Lächeln umspielte die Lippen der alten Dame. »Ich hoffe, man spricht nur Gutes über mich, Hochwürden.«
    »Gewiss, Ihre Großzügigkeit ist in ganz Glatz und darüber hinaus bekannt. Doch das meinte ich nicht.«
    »Ich weiß schon.« Die Fältchen um ihren Mund vertieften sich. »Sie sprechen von Sophie Ursinus, der Giftmischerin und angeblichen Mörderin ihres Gatten, ihrer Tante und ihres Geliebten.« Sie seufzte. »Ich möchte nicht mehr daran erinnert werden. All das liegt weit über 30 Jahre zurück.«
    »Ich verstehe, wenn Sie über die Zeit in der Festung nicht reden möchten«, nickte der Pfarrer. »In den vergangenen drei Jahren seit Ihrer Entlassung sind Sie ein ehrbares Mitglied der Gesellschaft unseres Städtchens geworden.«
    »So ist es, Herr Pfarrer.« Ihr Blick wanderte zu einer Kommode neben dem Bett. »Sehen Sie nur die Frühlingsblumen dort. Die Gattin des Bürgermeisters brachte sie mir bei ihrem gestrigen Besuch. Sind sie nicht wunderschön?«
    »Sie weichen mir aus.« Das Lächeln auf dem rundlichen Gesicht des Pfarrers konnte nicht über seine Besorgnis hinwegtäuschen. »Was damals geschah, muss Ihre Seele doch belasten. Sie sollten Ihr Gewissen erleichtern, solange noch Zeit ist, Frau Geheimrat. Ich werde mit Ihnen beten ...«
    »Nein, Hochwürden«, unterbrach Sophie Ursinus mit überraschend fester Stimme. »Seit meiner Entlassung aus der Kerkerhaft habe ich mit niemandem über diese Ereignisse gesprochen und gedenke es auch zukünftig so zu handhaben.«
    Der Pfarrer streckte den Rücken. »Wie Sie wünschen. Dann bleibt für mich hier nichts mehr zu tun. Ich werde morgen wieder nach Ihnen schauen.« Der Geistliche erhob sich, deutete eine Verbeugung an und ging zur Tür. Dort wandte er sich noch einmal um. »Möge unser Herr Ihnen gnädig sein.«
    Ein Lächeln umspielte nun die blutleeren Lippen der Schwerkranken und ihre Gedanken kehrten zurück in eine Zeit, die schon ein halbes Menschenleben hinter ihr lag. Zurück zu einem Frühlingsabend in Berlin.
    B ERLIN , 5. M ÄRZ 1803
    Zahlreiche silberne Kerzenleuchter tauchten den Salon der Familie von Stein in weiches Licht. Vier Damen, allesamt kunstvoll frisiert und in feine Gewänder gehüllt, saßen um einen mit Intarsien verzierten Eichentisch und kosteten von dem alten Sherry, als es an der Tür klopfte und ein Diener in Livree erschien und sich verbeugte. »Entschuldigen Sie bitte, Frau Kommerzienrat,

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