Bitterer Nachgeschmack - Anthologie
hatten wohl alle irgendeine Marotte. Willy Grünfink organisierte auch jedes Jahr den Rosenwettbewerb, an dem viele Spartenmitglieder teilnahmen. Vielleicht fürchtete Fröschle doch die Konkurrenz? Auch andere Gärtner hatten schöne Rosen. Und es wurde doch langweilig, wenn immer nur einer gewann.
»Das wird schon wieder. Ich denke, du solltest das nicht so ernst nehmen. Und iss mal was.« Er deutete auf mehrere durchsichtige Plastikboxen, die auf dem Tisch standen. Belegte Brote sah er durch die Plaste durchscheinen, geschnittenes Obst, Radieschen und eine Schüssel mit Gurkensalat.
»Mir tut der Magen weh«, klagte Fröschle. Plötzlich sprang er auf, riss die Dosen auf und warf den Inhalt auf den Komposthaufen.
»Na, na, so schlecht sah das aber gar nicht aus«, stellte Eberlein fest. »Dein Trudchen hat sich doch damit alle Mühe gegeben. Wo steckt deine Frau überhaupt?«
Er erntete von Erwin einen langen Blick, dann winkte der ab. »Frag mich nicht«, seufzte er theatralisch.
Oje, da hängt wohl der Haussegen schief. Eberlein mochte nicht zwischen die Fronten eines Rosenkrieges geraten, und das im doppelten Sinne. Er trank sein Bier aus, bedankte sich bei Erwin und beschloss, wieder nach Hause zu gehen. Im Paradies war eben doch nicht alles in Ordnung.
***
Wenn er ehrlich war, musste Friedhelm Eberlein zugeben, dass er sich Sorgen machte, Sorgen um Erwin. So durcheinander wie am letzten Samstag hatte er seinen Freund noch nie erlebt. Oder war es das Alter? Irgendwann verkalkte das Gehirn, funktionierte nicht mehr richtig und man tat schon recht unlogische Dinge. Er blickte auf die Uhr und beschloss, noch einmal bei Erwin vorbeizuschauen. Er packte zwei Flaschen Bier in seine Tasche und verließ die Wohnung. Bis zur Gartenanlage waren es nur wenige Haltestellen mit der Straßenbahn. Er hätte auch das Fahrrad nehmen können, aber mittlerweile hatte er sich an die Bequemlichkeit gewöhnt. Er liebte die Gemächlichkeit, zu der kein schneller Herzschlag mehr gehörte.
Das Gartentor Nummer 13 war abgeschlossen. Enttäuscht blickte Eberlein nach allen Seiten, dann auf seinen Beutel mit den Bierflaschen. Musste er sie wieder nach Hause tragen?
»Erwin, bist du da?« Nur die Vögel zwitscherten irgendwo im grünen Laub der Bäume. »Erwin? - Erwin!«
Eberlein dachte an das Gewehr und hoffte, dass es nicht doch ein Unglück gegeben hatte. Er blickte noch einmal den Gartenweg entlang, dann packte er die oberen Enden der Zaunlatten und kletterte hinüber. Es gelang ihm, ohne sich die Hosen zu zerreißen und die Flaschen zu zerschlagen. Nun klopfte sein Herz doch schneller, als er mit leisen Schritten den Gartenweg zur Laube ging. Die war hinter einem Rankgerüst versteckt, an dem wunderschöne Wicken blühten.
»Erwin?« Entsetzt schaute er auf seinen Freund, der am Tisch auf der Terrasse saß, vor sich eine lange Schere. Erwin blickte auf. Er war nur noch ein Schatten seiner selbst. Sein Gesicht sah fahl aus und glänzte feucht, dunkle Ringe zeigten sich unter seinen Augen und seine Hände zitterten.
»Erwin, bist du krank?« Eberlein eilte zu ihm und packte seine Schulter. »Was ist mit dir?«
»Nichts.« Seine Stimme war kaum zu vernehmen.
»Nun komm, sag, was los ist. Hat man dir deine geheime Rosenzüchtung gestohlen?« Ein leichtes Grinsen verzog seine Lippen, doch Erwin brauste unvermittelt auf. »Darüber scherzt man nicht! Das ist todernst! Sie schleichen am Zaun entlang und steigen in der Nacht ein.«
»Tatsächlich?«
»Ich liege jede Nacht auf der Lauer, habe immer mein Gewehr dabei.«
Friedhelm Eberlein atmete tief durch, dann packte er die beiden Bierflaschen aus. »So siehst du auch aus, total übernächtigt. Trink mal einen Schluck flüssiges Brot, damit du wieder zu Kräften kommst.«
»Ich dachte, du bist mein Freund.« Fröschles Stimmung schlug um, seine Stimme klang nun wehleidig. »Du verstehst mich eben nicht.«
»Natürlich verstehe ich dich. Wenn man so viel Arbeit in eine Neuzüchtung steckt, dann will man ja schließlich Erfolg damit haben, oder?«
Fröschle nickte langsam und griff zur Bierflasche. Er trank mit einem Zug die halbe Flasche leer. »Puh, das tat gut«, seufzte er. Doch gleich darauf krümmte er sich zusammen und presste die Hand gegen seinen Bauch.
»Hast du nichts gegessen? Du siehst recht blass aus.«
Wieder nickte Fröschle und schwieg.
Eberlein schüttelte den Kopf. Sein Blick fiel auf die Schere und das Blatt Papier, das daneben lag. Auf dem Papier
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