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Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Titel: Bitterer Nachgeschmack - Anthologie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Senghaas , Iny Lorentz
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Etwas besorgt und nur zögernd betrat er Erwins Garten. Friedhelm Eberlein war pensionierter Kriminalkommissar und ein Mann, der es mit der Gesetzestreue sehr genau nahm. Man betrat nicht einfach fremden Grund und Boden, auch wenn es der Garten eines Freundes war.
    »Erwin!« Beunruhigt bog er vor der Laube in einen kleinen Querweg ein - und blickte in die Mündung eines Luftgewehrs.
    »Zum Teufel, was machst du da? Du hast mich jetzt aber erschreckt.«
    »Du mich auch.« Erwin Fröschle ließ das Gewehr sinken und atmete schwer aus. »Ich wusste ja nicht, dass du es bist.«
    Eberlein schüttelte den Kopf. »Wen hast du denn erwartet? Ich habe mehrmals gerufen.«
    Erwin Fröschle antwortete nicht, ging an ihm mit schleppenden Schritten vorbei zur Gartenlaube und ließ sich auf die Bank davor sinken. »Ich muss auf der Hut sein«, murmelte er.
    Eberlein folgte ihm und setzte sich neben ihn. »Vor wem? Wirst du bedroht?«
    Fröschle schüttelte den Kopf. »Ich nicht. Aber es könnten Spione kommen.«
    Eberlein lachte auf. »Nun mach mal einen Punkt! Hast du zu viel fern geschaut?«
    »Du hast gut lachen«, erwiderte sein Freund. »Ich muss mit allem rechnen. Willste ein Bier?«
    Eberlein wischte sich ein paar Schweißperlen von der Stirn. Einen Moment hatte ihm Erwin Fröschle tatsächlich Angst eingejagt. »Ein Bier ist nicht zu verachten.«
    Erwin Fröschle erhob sich und verschwand in der Gartenlaube. Eberlein hörte die Kühlschranktür zufallen. »Und stell das Gewehr weg!«, rief er hinterher. »Es könnte sonst noch einen Unfall geben.«
    »Unfall?« Fröschle kehrte mit zwei Flaschen und einem Öffner zurück. »Ich meine das ernst.«
    »Nun sag, was los ist. Kann ich dir helfen?«
    Fröschle öffnete umständlich die Flaschen und schob eine seinem Freund hin. »Auf den Sieg«, sagte er und nahm einen tiefen Schluck.
    »Auf welchen Sieg?«
    »Im Rosenwettbewerb.«
    »Ach, ist es wieder so weit?« Eberlein kannte die vielen Pokale, die sich in Fröschles Laube auf dem Regal reihten. Er blickte sich um. Überall im Garten gab es Rosen, entlang des Weges auf den sorgfältig gepflegten Rabatten, kletternde Rosen über einem Torbogen mittendrin, eine Rose an der Wand der Laube und in einem speziellen Beet ein imposanter Wechsel aus Rosenstämmchen und Teehybriden. Es gab Rosen in allen Farben und Blütenarten. Ja, Erwin Fröschle verstand etwas von diesen Schönheiten.
    »Warum solltest du nicht gewinnen? Die sind doch wundervoll.« Er machte eine ausholende Armbewegung. »Oder hast du ernsthafte Konkurrenz gekriegt?« Er unterdrückte ein Grinsen und hob schnell die Flasche an die Lippen.
    »Konkurrenz?« Erwin Fröschle lachte hart auf. »Die fürchte ich nicht. Aber es darf niemand vorher erfahren, was ich... was ich gezüchtet habe.«
    »Du hast eine neue Rose gezüchtet?« Eberlein nickte anerkennend mit dem Kopf.
    »Ja«, erwiderte Fröschle und senkte die Stimme zum Flüstern. »Aber das ist ein Geheimnis.«
    »Das du mit dem Gewehr bewachst. Findest du das nicht ein bisschen übertrieben?«
    »Keineswegs. Ich weiß, was ich tue. Erst zum Rosenwettbewerb darf sie ein anderer sehen.«
    »Ich auch nicht?«
    »Sie ist noch nicht aufgeblüht. Aber wenn sie blüht, dann gibt es eine Sensation.«
    Eberlein war sich sicher, dass Fröschle maßlos übertrieb, aber er kannte dessen Eifer, unbedingt den alljährlichen Rosenwettbewerb zu gewinnen. Man musste schon ein bisschen spinnert sein, ein Hobby so verbissen zu sehen. Aber andere angelten, sammelten Flaschendeckel oder züchteten Kanarienvögel. Irgendetwas Sinnvolles musste der Mensch doch tun, wenn er sein Arbeitsleben abgeschlossen hatte. Nur Eberlein selbst hatte nichts gefunden, womit er seinen Rentneralltag ausfüllen konnte. Über 40 Jahre hatte der Kriminaldienst sein Leben bestimmt. Seine Spürnase war berüchtigt und gefürchtet gewesen, er hatte nicht gezählt, wie viele Ganoven und Verbrecher er geschnappt hatte. Die meisten saßen inzwischen wahrscheinlich wie er auf der Rentnerbank und dachten über ihr vergangenes Leben nach. So besuchte er eben ab und zu mal seinen Freund im Gartenparadies. Es war wirklich erholsam hier, so ruhig und friedlich, dass er nicht glauben konnte, dass an diesem idyllischen Ort etwas Unrechtes geschah. Er kannte auch Willy Grünfink, den Vorsitzenden des Gartenvereins ›Paradies‹, einen freundlichen und angenehmen Menschen, der meist eine grüne Gärtnerschürze und immer einen Strohhut trug. Nun ja, Kleingärtner

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