Bitterer Nachgeschmack - Anthologie
würde dem herzlosen Püppchen so passen! Erst den Jungen der Mutter entfremden und ihn dann zu all diesen ungesunden, unnützen und schlechten Dingen verführen, die ihm schadeten.
Diese Ellen begriff einfach nicht, dass Mark-Dennis' zarte Konstitution viel zu anfällig war für wilde Partynächte, Auslandsurlaube, Diskothekenbesuche, Kneipenbummel oder gar-hier musste Hertha schamhaft schlucken - für Sex!
Gerade das Letzte war gar nicht gut für ihn. Aber seine Frau konnte davon nicht genug kriegen. Wenn Hertha nicht so höllisch auf ihn aufpassen würde, wäre ihr Junge inzwischen schon ein körperliches Wrack.
Die Stirn in tiefe Querfalten gelegt, blickte sich Hertha in der Küche um. Dieses Weib hatte wieder nicht das Frühstücksgeschirr weggeräumt! Was sich die jungen Frauen heute alles erlaubten! Ach, hätte ihr Junge doch nur auf seine Mama gehört! Sie hatte ihn gleich gewarnt. »Mark-Dennis«, hatte sie gesagt, »die ist nichts für dich. Bei der wirst du es nie so gut haben wie bei mir.« Aber die angemalte Hexe hatte den Jungen mit ihren Reizen total kirre gemacht!
So verrückt war er gewesen, dass er zum ersten Mal nicht auf seine Mama gehört und das Miststück geheiratet hatte, und nun war das Unglück da!
Resolut begann Hertha, das benutzte Geschirr abzuwaschen. Von Spülmaschinen hielt sie nichts. Dieses moderne Gerümpel war doch im Grunde nichts wert. Es sollte nur die Faulheit der jungen Frauen unterstützen. Anständige Hausfrauen, die was auf sich hielten so wie sie, die spülten ihr Geschirr von Hand. Wenn Ellen endlich auszog, würde die Maschine als Erstes aus der Villa fliegen. Zusammen mit dem ganzen anderen wertlosen Kram, den diese Frau angeschafft hatte.
So, die Küche sah wieder vorzeigbar aus. Hertha trocknete sich die Hände an der Schürze ab und ging ins Wohnzimmer hinüber. Auch hier musste aufgeräumt und staubgewischt werden. Und im Schlafzimmer musste das Bettzeug zum Lüften ans Fenster gelegt werden.
Ellen machte das ja nicht. Obwohl Hertha ihr schon hundertmal erklärt hatte, wie wichtig frische Luft für die Zudecken war. Erstens wegen der Hygiene, zweitens wurde der Staub daraus vertrieben.
Resolut zog sie die alten Bezüge herunter. Ihre Augen suchten akribisch das Laken nach verräterischen Spuren ehelichen Beischlafs ab, aber sie konnte kein noch so winziges Fleckchen entdecken. Sehr gut!
Aber sie sorgte ja auch dafür, dass die beiden nicht allzu viel Zeit alleine miteinander verbringen konnten.
Zufrieden trat Hertha an den Schrank. Natürlich, Ellen hatte die Wäsche wieder unordentlich in die Fächer geräumt! Nichts lag so, wie Hertha es ihr schon tausendmal gesagt und gezeigt hatte! Kreuz und quer lag die Wäsche herum wie auf einem Rübenacker! Diese Frau würde niemals eine anständige Hausfrau werden!
»Na klar, das konnte ich mir ja denken!«
Die helle Stimme ließ Hertha vor Schreck erstarren. Ihr Herz machte einen riesigen Hopser, als wollte es zu ihrem Hals heraushüpfen, dann raste es in arhythmischem Takt weiter. Die Schläge dröhnten in Herthas Ohren, so laut, dass sie fürchtete, Ellen könnte es hören. Aber es war ganz still im Zimmer. Nur das Summen einer Wespe war zu hören, die durch das auf Kipp stehende Fenster ins Zimmer geflogen war.
»Schnüffelst du wieder in unseren Sachen herum, ja?«, brach Ellen schließlich das Schweigen. Voll wütendem Spott starrte sie die alte Frau an. »Was hoffst du denn zu finden, he? Na los, rede! Was suchst du?«
Herthas Busen hob sich, als sie tief einatmete.
»Nichts.« Sie richtete sich auf und erwiderte Ellens Blick, zutiefst davon überzeugt, dass sie das Richtige tat. »Ich räume nur Mark-Dennis' Sachen auf und lege sie ordentlich zusammen.«
Ihren Worten folgte eisiges Schweigen, das nur hin und wieder von dem leisen Plopp unterbrochen wurde, wenn das Insekt auf der Suche nach Freiheit gegen die Fensterscheibe prallte.
Die Frauen maßen sich mit Blicken. Keine war bereit, den ersten Schritt zu tun, das nächste Wort zu sagen. So standen sie sich gegenüber, jede um eine gerade Haltung bemüht, die der anderen Stärke und Unnachgiebigkeit signalisieren sollte.
Wieder machte es Plopp, dann summte es zornig. Die Wespe irrte ziellos durchs Zimmer und flog dann zu Ellen, um sich die Zeit damit zu vertreiben, der jungen Frau vor dem Gesicht herumzuschwirren. Ellen vertrieb sie mit einer ungeduldigen Handbewegung, ohne dabei ihre Schwiegermutter aus den Augen zu lassen.
Die Wespe surrte
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