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Bitteres Blut

Bitteres Blut

Titel: Bitteres Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Voss
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den Sack kriege. Ich habe schon daran gedacht, ihm einen Brief zu schreiben, um …« Er brach abrupt ab, atmete heftig aus und fügte dann mit zitternder Stimme hinzu: »Aber was sagst du einem Menschen, dem du noch nicht mal die Handschellen erspart hast? Weißt du, was man ihm sagen kann?«
    »Nicht wirklich«, sagte Lorinser, verblüfft, einen Steinbrecher zu erleben, der ganz und gar nicht dem Bild entsprach, das er sich von ihm gemacht hatte. Was hier zum Vorschein kam, war nicht der im jahrzehntelangen Dienst verhornte, latent egozentrische und bisweilen weinerliche Routinier, sondern eine sensible, zur Selbstprüfung und Mitleid fähige Seele. »Ich kann mir vorstellen, dass es nicht unbedingt auf die Worte ankommt.«
    Steinbrecher runzelte die Stirn.
    »Auf die Geste«, sagte Lorinser. »Der Brief an sich. Den Rest kannst du sowieso nicht beeinflussen. Krögers Reaktion, meine ich.«
    Steinbrecher nickte. »Was würdest du denn machen?«
    Lorinser hörte sein Telefon. »Ich weiß es nicht«, sagte er und tastete nach dem Handy, während die Kellnerin den Tequilaabstellte. »Ich bin noch nicht mal sicher, ob ich überhaupt was machen würde.« Er drückte die grüne Taste und meldete sich.
    »Ich stehe hier in der Diele«, sagte Bossen schnaufend. »Ich steh genau vor der Uhr. Auf meiner, die auf den Punkt genau geht, ist es jetzt genau dreizehn nach fünf. Die an der Wand steht auf sieben nach fünf. Wolfhardt, der mich nicht aus dem Auge lässt, schwört Stein und Bein, dass er sie zwar aufgezogen, aber seit Wochen nicht verstellt hat. – Zufrieden?«
    »Mehr als das. Ich bin begeistert!«
    »Hoffentlich auch dann, wenn Sie die Rechnung für unser Essen im Jägerhof übernehmen. Aber da ist noch was: Als Thorsten abfuhr, saß jemand neben ihm. Fiel Wolfhardt ein. Weiß bekleidet. Ob Männlein oder Weiblein, hat er nicht erkennen können. Ganz schön verwirrend, was?«
    »Eigentlich nicht«, sagte Lorinser, ein Michelinmännchen vor Augen. »Wir wissen, dass Thorsten die Simmerau nach Hause gefahren hat.«
    »Der hat wirklich nichts von der Bettkante flitzen lassen … Sonst noch was, Euer Ehren?«
    »Sie haben mir sehr geholfen.«
    »Das freut mich. Freut mich außerordentlich.«
    Lorinser dankte und versprach, Bossen auf dem Laufenden zu halten.
    »Das Mysterium könnte geklärt sein«, sagte er, als er sein Handy ausschaltete. Er zog den Notizblock an sich heran, griff nach dem Kugelschreiber und schrieb eine Sechs neben die am Kopfende stehende Null. »Böses Uhr ging nach, Franz. Wenn das zutrifft, wenn das auch für die Tatzeit zutrifft, ist Thorsten nicht um Mitternacht, sondern frühestens sechs Minuten später von Stemshorn abgefahren. Und da er mit hoher Wahrscheinlichkeit die Simmerau an Bord hatte, kann sie unmöglich wie behauptet um Mitternacht zu Hause das Deutschlandlied gehört und mit dem Opfer einen letzten Kaffee getrunken haben. Richtig?«
    »Richtig«, sagte Steinbrecher skeptisch. »Wenn sie denn im Auto saß. Nur: Wie beweisen wir das?«
    »Sie selbst bestätigte, im Porsche nach Hause chauffiert worden zu sein.«
    »Aber wann?«
    »Das kann uns möglicherweise Carola sagen.«
    »Carola?«
    »Bersenbrück«, sagte Lorinser. »Sie hat die beiden abziehen sehen.«
    »Und wenn der listige Böse uns angeschmiert und die Uhr nach der Tat verstellt hat?«
    »Und wenn nicht?«
    »Dann steht immer noch die dreifach genähte Darstellung der Familie Simmerau dagegen.«
    »Zweifach«, sagte Lorinser. »Magerquark Tochter hat das ja nicht bestätigt, weil sie zu dieser Zeit in der ›Leuenfort Schänke‹ vergeblich auf ihren Galan wartete.«
    »Wir wissen allerdings nicht, wer das ist.«
    Lorinser schnippte die gegen seinen Wunsch servierte Zitronenscheibe vom Tequilaglas und hob es an die Lippen.
    »Hindert uns jemand, Melanie zu fragen?«
    »Selbstverständlich unverzüglich ?«
    »Nachdem du bezahlt und mir ein paar Pfefferminzpastillen gegeben hast. Von wegen Presse und Trunkenheit im Dienst, verstehst du?«
    »Dein verdammter Ehrgeiz bringt dich irgendwann unter die Erde«, knurrte Steinbrecher und schob ihm die Pfefferminzdose zu. »Mich sowieso«, fügte er knurrend hinzu, ehe er Lorinser zuprostete und nach der Kellnerin rief.

15
    Sie fanden sie hinter dem Haus. Sie kauerte in einem weißen Plastikstuhl vor dem großen Terrassenfenster, auf dessen Rahmen noch die Schutzfolie klebte. Neben ihr standen grüne Stiegen, in denen offensichtlich die Pflanzen geliefert worden waren, die

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