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Bitteres Blut

Bitteres Blut

Titel: Bitteres Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Voss
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zu lassen. Das Mittel, das ich ihr verabreicht habe, wirkt beruhigend. Sie wird wohl bald schlafen. Lassen Sie sie. Aber dann … Sie wissen hoffentlich Bescheid.«
    Ja, ja, aber Bescheid wissen ist das eine und sich gegen den Starrkopf einer Schwester durchzusetzen das andere. Schon Kattas Geburt war eine Regelverletzung gewesen. Sie war als sogenanntes Frühchen zur Welt gekommen. Der Brutkasten war die Bühne ihres über Wochen unentschiedenen Spiels um Leben und Tod gewesen. Erst nach der Einschulung hatte sich ihr von schweren Asthmaanfällen und den daraus resultierenden Todesängsten durchgerütteltes Leben einigermaßen beruhigt. Normal war es schon deshalb nicht geworden, weil ihre Zerbrechlichkeit es nicht zuließ. Erst mit dem Einsetzen der Pubertät kräftigte sich ihr Körper, sprudelten ihre Energien, brach ihr unbändiger Lebenswille durch, kämpfte sie um sich selbst und das, was sie »Menschwerdung« nannte. Dagegen stand das strenge Sorgeregiment der Familie. Der Vater, der für sie nichts weiter als ein stählerner Lautsprecher starrer Regeln war. Die Mutter, die die Klammern ihrer Sorge nicht zu lösen vermochte und noch immer unter Kattas Flucht in eine frühe Ehe litt.
    Lorinser blickte auf die Armbanduhr. Es war zehn Uhr zwölf. Es war trotz des offenen Fensters stickig. Vielleicht war es der ängstliche Geist Hollenbergs, der wie weißer Schimmel in der trockenen Raumluft seine Fäden spann. Oder die Fragen um den nicht zum Dienst erschienenen Steinbrecher, die – wer wusste das schon? – durchaus Anlass des von KHK Hildebrandt gewünschten »Kurzschließens« sein konnte. Und Katta natürlich. Ihr desolater Zustand, der alarmrot blinkend wie ein Endlosfilm durch die Windungen seines Gehirns geisterte.
    Der alte Böse schien außer Haus zu sein oder keine Lust zu haben, den Hörer abzunehmen. Das hätte sein Sohn wohl getan, wenn er denn wieder aufgetaucht wäre. Einen Unfall, in den ein Porsche mit Diepholzer Kennzeichen verwickelt war, hatte es weder in der Nacht von Sonntag auf Montag noch in den frühen Morgenstunden gegeben, ergaben Lorinsers Anrufe bei der Verkehrspolizei im eigenen Haus und der für die in Nordrhein Westfalen liegenden angrenzenden Bezirke. Der Hinweis des Espelkampers Kollegen, mal darüber nachzudenken, ob der Gesuchte vielleicht in Urlaub gefahren sei, war auch nicht gerade hilfreich. Er erinnerte Lorinser lediglich an Steinbrecher, der noch immer nicht aufgetaucht war. Eine Entschuldigung oder Krankmeldung hatte er auch nicht durchgegeben. Möglich, dass der Alkohol ihn auf dem Laken hielt. Lorinser rief die Sparkasse an.
    »Leider ist er nicht erschienen«, sagte Abteilungsleiter Herbert Schirmer. »Angerufen hat er auch nicht. Aber sein Vater war vorhin bei uns und hat Thorstens Konto sperren lassen.«
    Lorinser runzelte die Stirn. Hatte der Alte ihm nicht versichert, dass sein Sohn permanent am Rande der Pleite herumschlidderte? »Ist das nicht seltsam?«
    »Dank seiner Vollmacht ist er dazu berechtigt, Herr Lorinser. Ist ja auch vernünftig, denke ich, wenn man bedenkt, dass die Bankkarte durchaus in falsche Hände geraten sein kann.«
    »Aber nur dann, wenn da was zu holen wäre. Ist es so?«
    »Darüber«, sagte Schirmer erschrocken, »darf ich Ihnen eigentlich keine Auskunft geben. Sie wissen ja, das Bankgeheimnis …«
    »Ich bitte Sie, Herr Schirmer!«
    »Nun ja, wenn es für die Polizei so wichtig ist …« Schirmer seufzte herzzerreißend. »Von Ebbe kann nun wirklich nicht die Rede sein … fast zehntausend Euro, Herr Kommissar. Ich war selbst überrascht, weil, ich meine, er müsste doch wissen, dass eine solche Summe angelegt werden sollte und nicht auf einem Girokonto versauern darf, nicht wahr?«
    »Wie kam er denn zu dem Segen?«
    »Das weiß ich nicht. Er hat das Geld in zwei Tranchen zu je fünftausend bar eingezahlt.«
    Sie mal einer an! »Wann?«
    »Sie behalten das doch für sich, nicht wahr?«
    »Selbstverständlich.«
    »Ich komme in Teufels Küche, wenn … nun ja, die Einzahlungen wurden von ihm am Dienstag und Mittwoch letzter Woche getätigt. Wie gesagt …«
    »Nur keine Sorge, Herr Schirmer. Sie haben mir sehr geholfen.«
    »Das freut mich, das freut mich wirklich!«
    Lorinser legte den Hörer zurück. Also doch keine verschuldete Kirchenmaus mit Brandlöchern in der Brieftasche, wie es der alte Böse und auch Dorfsheriff Bossen suggeriert hatten. Der junge Böse hätte sich ohne Weiteres vom Bankautomaten Geld ziehen

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