Bitteres Blut
Kriminalobermeister. Soviel ich weiß, wird sie auch in Ihrer Dienststelle gerne gelesen. Nichtssagend, unbedeutend, ein kleines Forum der Eitelkeit, aber immer auf der Kippe, weil engagiert und vom Anzeigengeschäft abhängig. Ich stehe auf der Presseliste Ihrer Inspektion. Weil das so ist, erhielt ich heute Mittag den Polizeibericht. Unfälle, Raub, Hühnerdiebstähle, ein Trickbetrug und das bislang ungeklärte Ableben Thorsten Böses mitsamt dem spurlosen Verschwinden seines heiß geliebten Porsche. Steht morgen dick und fett auf Seite eins. Und weil ich sozusagen Zeuge der ersten Stunde bin, konnte ich nicht nur einige authentische Glanzlichter setzen, sondern Ihnen auch Fahndungshilfe leisten.«
»Womit bewiesen ist, dass selbst Negatives positive Seiten haben kann.«
»Wir leben davon. Immer die spannende Frage im Hinterkopf, ob es auch diesmal für die Rechnungen reicht.« Er entdeckte die junge Frau. »Mensch, Inka!«, rief er ihr erschrocken zu. »Für die Krücken ist es doch noch zu früh! Zum Teufel, bleib, wo du bist!«
Er lief los. Überraschend schnell für seine Masse, erreichte er die Frau, sprach entnervt auf sie ein, hob sie schließlich hoch und trug sie ins Haus.
»Ganz schön kräftig, der Bursche«, sagte Steinbrecher beeindruckt. »Ich denke, wenn er richtig zugelangt hätte, wäre Böse schon auf dem Festplatz erledigt gewesen.«
»Er behauptet, zur wahrscheinlichen Tatzeit zu Hause gewesen sein.«
»Wenn das mal stimmt.«
»Seine Frau wird das sicherlich bestätigen.«
»Oder auch nicht. Ich denke an ihre Krücken. Wenn sie die noch nicht benutzen darf, muss das eine ziemlich frische Geschichte sein.«
»Ja und?«
»Vielleicht lag sie in der Tatnacht gerade im Krankenhaus.« Steinbrecher deutete auf seine Füße. »Ich hab jedenfalls ganze zehn Tage auf der Chirurgischen verbringen dürfen. Erst dann durfte ich den Fuß leicht belasten. Das Metallzeug wurde erst sechs Monate später herausoperiert.«
»Morsche Knochen heilen schlecht.«
Steinbrecher verzog den Mund, als hätte er Essig getrunken. »Schon wieder so’n Spruch! Aber egal, ich werde den Punkt jedenfalls ansprechen. Schon, weil Böse nicht weit von hier gehangen hat und die beiden sich durchaus noch mal begegnet sein können.« Er ballte die Rechte und schlug eine Gerade. »Von wegen Entschuldigung und nicht gedemütigt. Das nehme ich ihm nicht ab. Böse muss vor Wut gekocht haben. Kann ja in der Nacht hergefahren sein. Alkohol. Rachegedanken. Halvesleben reagiert, wie er schon vorher reagiert hat. Er langt ihm eine. Rumms, das empörte Köpfchen fliegt gegen eine Wand und …«
»Sein kann alles.«
»Ja, und deshalb hat der große Blonde mit den kräftigen Händen plötzlich ein Problem. Er hat ’ne Leiche und muss sie loswerden. Die Stele verwirft er wieder. Also, warum sie nicht in einer Güllegrube verschwinden lassen, he?«
»Als ordentlicher Bürger ruft er die Polizei an, verweist auf den Restalkohol in seinem Blut und gibt zu Protokoll, angegriffen worden zu sein und von seinem Notwehrrecht Gebrauch gemacht zu haben.«
»Und wenn nicht?«
»Kommt er genau so infrage wie Melanie Simmerau, Krögers Entourage, der Alte und jener Unbekannte, gegen den wir offiziell ermitteln. Außerdem kann es durchaus Selbstmord oder ein Unfall gewesen sein.«
Steinbrecher verdrehte die Augen und rang in theatralischer Weise die Hände. »Mann, ich weiß, dass ich spekuliere! Ich halte ihn ja auch nicht für einen abgebrühten Mörder, ich sag nur, dass es so gewesen sein kann ! Ist ja auch möglich, dass er sich vor dieBersenbrück gestellt hat. Vielleicht hat er was mit ihr gehabt. Ruft er die Polizei an, muss er damit rechnen, dass seine Frau Wind davon bekommt. Er schafft also die Leiche an den Deich und täuscht Selbstmord vor. Aber dann ist ihm die Idee zu heikel, er schneidet die Leiche ab und … Muskeln genug hat er jedenfalls.«
»Das ist richtig, aber …« Lorinser deutete auf Halvesleben, der, in einem frischen blauen Hemd und in einen Apfel beißend, von der Hinterseite des Hauses aus auf sie zukam.
»Wieso aber ?«, zischelte Steinbrecher, ohne seinen Hinweis zu beachten. »Tatsache ist, dass Böse einige Hundert Meter weiter gehangen hat. Ein Porsche ist laut deinem Bericht in der Nacht auch gehört worden. Also?«
»Ein Motor, der zu einem Porsche gehört haben kann .«
»Das schließt die Möglichkeit immerhin ein!«
Klingt logisch, verlockend logisch, dachte Lorinser, während er das immer noch
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