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Bitteres Blut

Bitteres Blut

Titel: Bitteres Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Voss
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verschwitzte, jetzt jedoch düstere Gesicht des Journalisten betrachtete, der mit zögernden Schritten herankam.
    »Die pure Unvernunft«, stieß Halvesleben hervor. »Dabei weiß sie verdammt genau, wie schlimm es für sie wird, wenn sie noch mal unters Messer muss. Aber störrisch war sie schon immer.«
    »Wann ist das denn passiert?«, fragte Steinbrecher freundlich.
    Halvesleben runzelte die Stirn und deutete mit dem angebissenen Apfel in den schattigen Obstgarten. »Letzte Woche. Montag. Sie hat da hinten ihr Kräuterbeet. Dicht am Graben. Rutschte hinein, und schon hatten wir die Bescherung. Zum Glück war ich in der Nähe und konnte sie sofort ins Krankenhaus bringen.«
    »Ins Diepholzer?«
    »Nein, ich habe sie nach Damme gefahren. Ist für uns näher. Vor allem waren die dort bereit, sofort zu operieren.«
    »Nicht leicht, so was«, sagte Steinbrecher, bemüht, einen unverfänglichen Ton anzuschlagen. »Wie lange musste Ihre Frau dableiben?«
    »Meine Frau und Müssen schließen sich aus, das können Sie getrost glauben. Ich habe sie am Freitag abgeholt.« Halveslebens Augen verengten sich. »Sie klopfen wohl auf den Busch, was?«
    »Reines Mitgefühl«, sagte Steinbrecher. »Ich war letztes Jahr in der gleichen Lage. Seit wann kennen Sie eigentlich Frau Bersenbrück?«
    Halvesleben warf den Apfel in die Luft und fing ihn wieder auf. Er schüttelte den Kopf, sah Lorinser, dann Steinbrecher an und lachte geradezu mitleidig auf. »Was Sie wirklich wissen wollen, ist doch wohl, ob ich mit dem Mädchen ins Bett gestiegen bin, nicht wahr?«
    »Sind Sie?«
    »Ich liebe meine Frau, Herr Kommissar. Aufrichtig und tief. Und das seit fünfzehn Jahren. Ununterbrochen und ohne je in die Versuchung eines Seitensprungs geraten zu sein, wenn Sie ahnen, was ich meine.«
    »Ich ahne«, sagte Steinbrecher mit deutlicher Skepsis in der Stimme. Kein Wunder bei den bösen Erfahrungen, die er mit seiner Ex gemacht hat, dachte Lorinser, während er sich eine Zigarette anzündete. Den ungläubigen Ausdruck im Gesicht seines Kollegen deutete er dennoch als Eingeständnis, das Pulver, wenigstens für den Augenblick, verschossen zu haben. Aber er irrte sich. Steinbrecher trat einen Schritt vor und blickte Halvesleben herausfordernd an.
    »Sind Sie Böse nach dem Streit auf dem Schützenfest noch einmal begegnet?«
    Halvesleben hob die Brauen, ohne tatsächlich überrascht zu sein. Sein Körper versteifte sich. Ganz Abwehr wirkte er plötzlich wie eine belagerte Festung. »Nein, bin ich nicht.«
    »Sind Sie ganz sicher?«
    »So sicher, wie Sie ahnungslos sind«, sagte der Journalist in einem Ton, in dem all die Bitterkeit mitschwang, die sich während der letzten Jahre in ihm angesammelt hatte. »Ich wiederhole mich zwar, aber bei mir sind Sie an der falschen Adresse. Das glauben Sie selbstverständlich nicht. Also gehen Sie schon! Tun Sie, wasSie nicht lassen können. Meine Frau finden Sie hinter dem Haus auf der Terrasse.«
    Steinbrecher war von der Heftigkeit der Antwort sichtlich überrascht. Einige Sekunden lang hielt er dem zornigen Blick des Journalisten stand, ließ ihn dann über den Hof schweifen, als könnte er dort den Ausweg aus der peinlichen Situation finden. Er hob die Hände, sah Lorinser an, der die Szene wie aus einem umgedrehten Fernrohr wahrnahm. Was soll ich denn machen?, schienen die in die Sonne blinzelnden Augen zu fragen. Lorinser hatte keine Antwort, aber er begriff, dass sein Kollege trotz der langen Dienstzeit keinesfalls der abgebrühte Bulle war, den er in der Regel mimte.
    Er nickte vage.
    »Schon der Ordnung wegen«, sagte Steinbrecher, als hätte er ein Signal empfangen. »Wie komme ich auf die Terrasse?«
    Halvesleben deutete stumm auf den Obstgarten. Steinbrecher setzte sich in Bewegung. Sein Gesicht war so düster wie der Schatten unter den Bäumen. Stampfender Schritt, die Schultern hochgezogen, der Kopf gesenkt, als fauchte ihm ein Sturm entgegen. Aber der tobt wohl in ihm selbst, vermutete Lorinser. Instabil ist er sowieso, und sein Selbstvertrauen ist im Keller. Obendrein hat er während der letzten Zeit einige üble Nackenschläge verdauen müssen. Unter anderem die demütigende Anweisung Hildebrandts, ihm, Lorinser, dem bedeutend jüngeren und obendrein rangniedrigeren Kollegen, zu assistieren. So was konnte schon an die Nieren gehen.
    So wie das Gefühl der Ohnmacht, mit dem Halvesleben kämpfte. Seine Hände ballten und öffneten sich. Die Nasenwurzel endete in einer tiefen Falte. Die Kiefer

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