Bitteres Blut
von Sievers in die Defensive gedrängt zu werden. »Mal?«, blaffte er. »Er war doch wohl mehrmals bei Ihnen.«
»Drei Mal, ja. Ganz unverbindlich. Hatte Interesse an unseren Bildern. An denen für Heteros, meine ich. Wir daran, dass er für uns Kontakte knüpft. Mehr war da nicht.«
»Wirklich?«
»Wirklich. Obwohl ich zugebe, dass seine Attraktivität mich schon reizte. Theoretisch. Ist ja ein hübsches Kerlchen, aber leider echt an Frauen orientiert. Und das hardcore , würde ich mal sagen. Ihre Theorie, er hätte einen Keil zwischen uns getrieben, so in Richtung tuntige Eifersucht, können Sie vergessen. Wir haben ’ne solide Beziehung. Seit Jahren.«
»Schön für Sie«, sagte Lorinser mit dem sicheren Gefühl, nicht nur einen gut abgesprochenen Text zu hören, sondern seine dienstliche Zeit nicht legitimiert zu verschwenden. Die Rede im Präsenz deutete darauf hin, dass Frank Sievers trotz der dröhnenden Buschtrommeln noch nichts vom Tod des jungen Mannes gehört hatte. »Wann und unter welchen Umständen haben Sie Thorsten kennengelernt?«
»Was weiß ich«, sagte Sievers und lehnte sich zurück, um der Kellnerin Platz zu machen. »Irgendwann im Frühjahr. Wir waren bei Olli Kröger zur Eröffnung seiner Werkstatt eingeladen. Da ergab sich der Kontakt so en passant .« Die Kellnerin stellte die Tassen ab. »Ich glaube, Paulinchen hat uns bekannt gemacht. Seine Schwester. Ich nehme an, er hat sie nach der Herkunft des Bildes gefragt, das Olli bei uns für sein Büro gekauft hat. Ich habe ihn dann zu uns eingeladen. Er ist gekommen. Wir haben zusammen gegessen. Er hat sich einige Sachen angeguckt. Das ist die ganze Geschichte.«
Oder die, die du preiszugeben bereit bist, dachte Lorinser voller Grimm. »Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?«
Sievers schob sich die Brille ins Haar, beugte sich schnüffelnd über den Espresso, als vermutete er darin Gift. Nach dem Sahnekännchen greifend, blickte er den Polizisten aus zusammengekniffenen, weil geblendeten Braunaugen herausfordernd an. »Letzte Woche. Donnerstag. Er kam um sieben und ging gegen elf. Ohne was zu kaufen, wenn Sie das auch interessiert. Inzwischen wissen wir, dass er dazu nicht in der Lage ist, solange sein Vater unter den Lebenden weilt.«
»Kennen Sie ihn? Seinen Vater?«
Sievers lachte trocken auf und schüttelte den Kopf. »Der ist wirklich nicht unser Kaliber! Und was heißt schon kennen ? Kennen setzte das Vorhandensein von Kommunikation voraus. Gab und gibt es nicht. Ich sehe ihn nur hin und wieder, wenn er in aller Herrgottsfrühe mit seinem aggressiven Köter am Deich den Preußenschritt übt. Ein verschlossener Typ, der nicht links undrechts guckt und sich offensichtlich für den lieben Gott hält. Und mit uns will er erst recht nichts zu tun haben, denke ich. Wie die meisten im Dorf, die Geschäftsleute mal ausgenommen, die ganz gerne unser Geld nehmen, ansonsten aber die unfehlbaren Bürger spielen. Aber so ist das nun mal, wenn man nicht bereit ist, sich hinter einer allseits akzeptierten Fassade zu verstecken. Dass Thorsten mit dem schwulen Pack zu tun hat, ist für die natürlich Wasser auf ihre Mühlen. Und für den Alten erst recht.«
»Sie tun sich ganz schön leid, was?«
»Ich sag nur, wie es ist.«
»Na gut. Sprechen wir von den wichtigen Dingen: Was ist für Sie Herrgottsfrühe?«
»Wenn der Wecker uns um sechs aus dem Schlaf jagt.«
»Und dann stellen Sie sich ans Fenster und gucken, was da draußen abgeht, oder wie?«
»Wir haben, wie Sie vielleicht bemerkt haben, einen Hund. Und weil wir mit ihm vors Haus gehen, ist es sozusagen unumgänglich, einen Blick in die Landschaft zu werfen.«
»Und sehen dann Böse auf dem Deich herumspazieren?«
»Nein, meistens ist der Alte schon auf dem Rückweg zu seinem Auto.«
»Das dann wo geparkt ist?«
»Rechts vor der Sperre, die den Weg zum Deich versperrt. Gegenüber der Holzbrücke.«
Hollenberg, erinnerte sich Lorinser, hatte die Leiche nach eigenen Angaben um sechs Uhr zehn entdeckt, aber nicht erwähnt, dass ihm Böse begegnet war. War es möglich, dass er es verschwiegen hatte? Um sich keinen Ärger mit dem Alten einzuhandeln? »Wann genau, würden Sie sagen, lassen Sie Ihren Hund in den Garten? Sofort nach dem Klingeln des Weckers?«
»Ein, zwei, höchstens fünf Minuten später. Hemlock tänzelt dann schon winselnd an der Tür herum.«
»Und am Montag? Können Sie sich erinnern, ob Sie Böse da auch gesehen haben?«
Sievers setzte die Tasse ab. Einige
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