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Bitteres Blut

Bitteres Blut

Titel: Bitteres Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Voss
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sich nicht daran, ob Paula ein Haustier besaß, aber er war sicher, dass er nach dem zweiten Klingeln eine Bewegung hinter dem Fenster gesehen hatte. Und der Rauch der Esse hing auch wie dünner, stechender Nebel in der Luft. Ein Zeichen, dass sie vor Kurzem in der Werkstatt gearbeitet hatte. Ihr Golf parkte auch an der Straße. Schmerzhaft durchzuckte ihn der Gedanke, dass sie sich vor ihm versteckte. Und das konnte nur heißen, er musste für sie eine herbe Enttäuschung gewesen sein. Warum sonst sollte sie sich verleugnen?
    Über dem Waschbetonkasten, aus dem der Gestank der Mülltonnen strömte, flimmerte die Hitze. In der Ligusterhecke lärmten Spatzen. Vom Bahnhof her, angekündigt von dem dumpfen Rauschen eines noch entfernten Zuges, erklang eine Lautsprecherdurchsage. »Gleis zwei«, kristallisierte sich aus dem Wust der verzerrten Worte heraus. Der Rest wurde von einem aufheulenden Motorrad übertönt.
    »Paula, Paula«, flüsterte er vor sich hin, als er zum dritten Mal auf den blanken Messingknopf der Klingel drückte. Er hörte den durch die Tür gedämpften Anschlag der Glocke, spürte die Kopfwunde, seine schweren Beine, aber mehr noch den dumpfen Schmerz, der vom Solarplexus her seinen Kehlkopf attackierte. Keine Bewegung. Auch nach dem vierten Klingeln nicht. Lorinser drehte sich um.
    »Sie ist weggefahren«, sagte eine derbe Stimme.
    Lorinser blickte auf. Im Fenster des Nebengebäude ragte der Oberkörper einer weißhaarigen Frau heraus und lächelte auf ihn herab.
    Lorinser deutete auf den Golf, der hinter der Hecke parkte. »Der gehört doch ihr, nicht? Womit ist sie dann gefahren?«
    »Sie ist zu dem Mann mit dem großen Auto gestiegen. In den silbernen Mercedes.«
    Lorinser spürte den Stich und jappste nach Luft. »Wissen Sie, wer das war?«
    Die Dame schüttelte den Kopf. Mitleidig, wie Lorinser fand.
    »Vielen Dank«, mühte er sich ab und hob, im Kopf eine wahre Orgie widerstreitender Gefühle, zum Abschied die rechte Hand. Mit zitternden Händen schloss er seinen Wagen auf und ließ sich auf den heißen Sitz fallen. Vor seinen Augen flimmerten Kreise, und er dachte an den Geschmack des Weines der vorletzten Nacht. Er sah Paulas von dunklen Haaren umrahmtes Gesicht, die außergewöhnlich großen Augen, vermeinte ihr klirrendes, eruptives Lachen zu hören. Hatte sie ihr Handy etwa wegen dem Kerl mit dem Mercedes zum Schweigen gebracht?
    War sie so eine ?
    Schmerz, als er den Kopf schüttelte. Nein!, wehrte er den Stachel der Eifersucht ab, nein, nein, nein! So ist sie nicht! Nicht Paula! – Wirklich nicht?
    Er startete den Motor, blieb aber noch einige Minuten unschlüssig sitzen, ehe er schließlich abfuhr. Dann entschloss er sich, nach Hause zu fahren. Als er im dämmerigen Eingangsflur stand und seinen Briefkasten öffnete, klingelte sein Telefon.
    »Ich bin’s«, sagte seine Schwester. »Ich habe gerade deinen Wagen unten im Hof gehört und … ja, wie soll ich das sagen? Ich meine, ich habe jemanden da, verstehst du? Ich glaube, es wäre jetzt nicht besonders gut, wenn du in die Wohnung kämst …«
    »Was heißt das, du hast jemanden da?«
    »Bitte, Kristian!«
    »Liegst du etwa mit einem Kerl in meinem Bett?«
    »Nein, es ist kein Kerl und ich liege auch nicht in deinem Bett, ich … kannst du nicht wenigstens einmal in deinem Leben einfach was ohne zu fragen hinnehmen und tun, was ich für richtig halte? Bitte, Krissy!«
    »Wo ist das Problem, wenn es kein Kerl ist?«
    »Das Problem ist, dass du jetzt wirklich nicht hier sein solltest.«
    »Hast du Ärger?«
    »Nein«, jammerte sie, »ich habe keinen Ärger, ich habe … ich erzähle es dir später, ja, in einer Stunde, ja?«
    »Hat es mit deinen Verletzungen zu tun?«
    »Ja.«
    »Und du bist dir sicher, dass ich nicht doch heraufkommen soll?«
    »Ja.«
    »Du stehst auch nicht unter Druck?«
    »Nein, Krissy, stehe ich nicht. Wir reden … vielleicht wird es ja wieder gut, verstehst du?«
    »Hoffentlich bereust du es nicht.«
    »Nein!«
    »Und noch eins: Wenn es kein Mann ist …«
    »Ja, dann muss es eine Frau sein, nicht? Ja, ja, eine Frau, ist das so schlimm?«
    »Okay, okay«, sagte er verstört. »Ich bin dann in einer Stunde wieder da. In genau einer Stunde, Katta.«
    »Ja gut, in einer Stunde. Danke, ganz dicken Dank!«
    Als er wieder im Hof war und auf die Isabella zuging, sah er Katta oben hinter dem Fenster. Sie winkte ihm zu. Klein, zerbrechlich und mit dunklen Schwellungen am linken Auge, aber offensichtlich froh,

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