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Bitteres Geheimnis

Bitteres Geheimnis

Titel: Bitteres Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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sich zu konzentrieren. Immer wieder mußte er sich bewußt daran erinnern, was er tat, daß er in seinen Händen. den Leib und das Blut Jesu Christi hielt. Seine Stimme hatte eine ungewöhnliche Schärfe.
    »Kyrie eleison.«
    Er wußte, daß seine Zerstreutheit an diesem Morgen nicht allein auf Mary Ann McFarland zurückzuführen war. Es waren die quälenden Erinnerungen, die aus den Tiefen seines Geistes aufgestiegen waren, ihm den Schlaf geraubt und ihn die ganze Nacht lang mit Bildern und Visionen aus längst vergangenen Tagen gepeinigt hatten. im Morgengrauen war er erschöpft und voller Bitterkeit aufgestanden. Und jetzt, während er das Introitus beinahe herausschrie, um so an der Realität der Messe festzuhalten, überfiel ihn immer wieder der Gedanke, daß die große Gemeinde hinter ihm, diese Menge satter und selbstgerechter Bürger, der Grund dafür war, daß er seinen Idealismus verloren hatte.
    »Credo in unum deum patrem omnipotentem, factorem ...«
    Viele Jahre, viel zuviel Zeit, hatte er damit zugebracht, die Reichen zu verhätscheln, Bingo-Abende und Wohltätigkeitsbasare zu organisieren, Hans Dampf in allen Gassen zu sein.
    Er wandte sich ihnen zu. » Dominus vobiscum.« Weiße Wohlstandsbürger, nicht einer unter ihnen, der einer ethnischen Minderheit angehörte. »Sanctus, sanctus, sanctus ...«
    Mary paßte nicht mehr auf. ihr Blick war auf den nackten, geschundenen Leib des heiligen Sebastian gerichtet.
    »Agnus Dei, qui tollis peccata mundi, miserere nobis.«
    Die Glocken begannen zu läuten, und Mary schlug sich an die Brust.
    »Mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa ...«
    Es war Zeit für die Kommunion. Schweigend standen die Leute auf und bewegten sich in einem langen Zug durch den Mittelgang zum Altar. Mary schloß sich ihnen an. Sie kniete an der Kommunionbank vor den Chorschranken nieder, bekreuzigte sich und begann zu beten. Unter ihren gesenkten Lidern hervor sah sie Pater Crispin, der langsam die Reihe abschritt und in jede ausgestreckte Hand eine Hostie legte.
    Als er sich in Begleitung eines Ministranten, der die goldene Patene trug, ihr näherte, neigte Mary den Kopf. Sie spürte einen leichten Luftzug, als der Pater vor der Person neben ihr stehenblieb, und hörte sein Flüstern, als er die Formel sprach. Dann spürte sie, wie die Person neben ihr aufstand.
    Das Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie wahrnahm, daß Pater Crispin vor ihr anhielt. Ihr Mund war wie ausgetrocknet, und sie hatte das heftige Verlangen zu schlucken, aber sie tat es nicht. Sie hielt den Kopf geneigt, die Augen geschlossen.
    Pater Crispin ging, ohne ihr die Hostie gegeben zu haben, weiter zu ihrem Nachbarn.
    Zornig und beschämt blieb Mary, den Kopf nach vorn geneigt, knien, und krampfte ihre Hände so fest ineinander, daß sie schmerzten. Nein! sagte sie sich mit zusammengebissenen Zähnen. Nein, du läufst jetzt nicht davon.
    Als Pater Crispin das Ende der Reihe erreicht hatte, drehte er sich um, um von neuem zu beginnen. Unwillig blickte er auf das Mädchen, das eigensinnig an der Schranke knien blieb. Der Ministrant, der sich seine Verwunderung und Neugier nicht anmerken lassen wollte, hielt den Blick starr auf den Hostienteller gerichtet und stolperte prompt über sein langes Gewand. Er fiel taumelnd gegen den Priester und murmelte verlegen: »Entschuldigen Sie, Pater.«
    Sie spürte wieder den Luftzug, als er an ihr vorüberging und weiter die Reihe entlang schritt bis zum anderen Ende. Aber sie blieb knien. Sie hielt die Chorschranke umklammert, als säße sie in der Achterbahn, und schluckte die aufsteigende Übelkeit hinunter.
    Wieder kam Pater Crispin die Reihe entlang, gab jedem Gemeindemitglied die Hostie und seinen Segen. Seine Finger, die den Stil des Ziboriums hielten, waren blutleer. Seine Lippen waren schmal zusammengepreßt; seine Stimme schwoll ein wenig an, so daß sie beinahe über das Füßescharren hinweg zu hören war.
    Wieder senkte Mary den Kopf, und sie streckte beide Hände aus, die Ellbogen eng an ihren Körper gedrückt.
    Bei einem Blinzeln sah sie das Weiß von Pater Crispins Albe. Er war vor ihr stehengeblieben. Lieber Gott, hilf mir, flehte sie im stillen. Hilf mir, Gott ...
    Dann die Berührung, das leichte Kitzeln, die Hostie lag in ihren Händen.
    Mary warf sich nach vorn, neigte sich tief über die Schranke und schluchzte vor Glück und Erleichterung. Die tiefen Töne der Orgel um brausten sie. Der Chor sang, und die letzten Gemeindemitglieder standen von der

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