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Bitteres Geheimnis

Bitteres Geheimnis

Titel: Bitteres Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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aufzuschlagen, um hier ein Wort, dort einen Satz zu streichen und eine neue Formulierung einzusetzen. Penny wußte, daß das Projekt für Jonas sehr wichtig war, er hatte ihr darüber berichtet, hatte sie seinen ersten Entwurf lesen lassen - aber es begann sie allmählich zu ärgern, daß er darüber die Familie vernachlässigte.
    »Cortney hat mir gesagt, daß sie Ende des Monats ausziehen will. Jonas, sie hört nicht auf mich. Du mußt mit ihr sprechen.«
    »Gut«, sagte er. »Wo ist sie?«
    »Aber Daddy, ich bin achtzehn Jahre alt. Es gibt einen Haufen Mädchen, die arbeiten und gleichzeitig zur Schule gehen. Brad hast du's doch auch erlaubt. Warum mir nicht?«
    »Cortney, es sind ja nur noch drei Jahre, dann hast du deinen Abschluß und kannst dir die Arbeit suchen, die dir wirklich Spaß macht. Was willst du denn jetzt tun? Dich im Supermarkt an die Kasse setzen?«
    »Warum nicht? Sarah arbeitet in einem Schnellimbiß. Wir teilen uns die Miete und die Ausgaben fürs Essen, und in die Schule fahren wir mit dem Rad. Sie wohnt nicht weit von der Schule.«
    Jonas ließ sich in das weiche Polster des Gartensessels sinken und starrte geistesabwesend auf die welken braunen Blätter, die sich vom leichten Wind getrieben auf dem Wasser des Schwimmbeckens drehten. Eine für Oktober ungewöhnliche Kälte lag in der Luft, ein Vorgeschmack vielleicht auf einen harten Winter.
    »Ich halte das nicht aus«, fuhr Cortney fort. »Ihr beiden, du und Mama, verlangt, daß ich jeden Abend um elf zu Hause bin. Ich finde das einfach lächerlich. Ich bin achtzehn, Dad.«
    »Warum wiederholst du das so oft? Glaubst du, ich hätte es vergessen?«
    Cortneys Gesicht wurde hart. Sie sah mit einem Schlag zehn Jahre älter aus.
    »Ja, das glaube ich. Du behandelst mich wie eine Fünfjährige. Aber ich bin kein kleines Kind mehr. Ich möchte endlich auf eigenen Füßen stehen und für mich selbst sorgen.«
    Jonas konnte es sich nicht verkneifen, Cortney mit Mary Ann McFarland zu vergleichen. Sie waren nur ein Jahr auseinander, aber Cortney wirkte reif und erwachsen, während Mary in vieler Hinsicht noch ein Kind war. Cortney hatte die Eigenständigkeit ihrer Mutter mitbekommen, Pennys Fähigkeit, ihr Leben in die eigenen Hände zu nehmen und jede Lage zu meistern. Gerade in solchem Moment, wo Cortney ihre Persönlichkeit geltend machte, hatte sie mehr Ähnlichkeit denn je mit Penny.
    Während Jonas den pragmatischen Ausführungen seiner Tochter über ihr zukünftiges Leben zuhörte, musterte er ihr Gesicht. Ihre Stimme, ihre Worte verklangen, wie vom Winde weggetragen, während ihre Gesichtszüge eine ungeheure Klarheit gewannen. Es war beinahe so, als sähe Jonas sie zum erstenmal.
    Nie zuvor war ihm die starke Ähnlichkeit Cortneys mit ihrer Mutter aufgefallen. Die lange, gerade Nase mit den schmalen Nasenflügeln, die schmalen Lippen, die leicht schrägstehenden Augen, die Linie der Wangenknochen und des Kinns - alles wie bei Penny. Und Cortney hatte auch die Manierismen ihrer Mutter geerbt, ihre Art, die Augen zu schließen, wenn sie ihren Worten Nachdruck verleihen wollte, ihre Gesten, ihren Gang. Ihre Lippen bewegten sich auf die gleiche Weise wie Pennys, die Muskulatur darunter war nicht Cortneys, sondern Pennys. Je deutlicher das Jonas jetzt wahrnahm, zum erstenmal, um so unbehaglicher wurde ihm.
    Stecke sie in ein Hochzeitskleid, flüsterte es in ihm, und du siehst das Mädchen, das du geheiratet hast.
    Er ertappte sich dabei, daß er in ihrem Gesicht nach Anteilen von sich suchte. Guter Gott, war es Einbildung, oder hatte Cortney wirklich gar nichts von ihm mitbekommen? Würde ein Fremder auch Jonas Wade in ihr erkennen, oder würde er nur eine junge Penny sehen?
    Das sind keine Nachkommen von Primus, hatte Dorothy Henderson gesagt. Sie sind Primus ...
    »Daddy?«
    Eine Kluft des Entsetzens und des Abscheus tat sich plötzlich vor ihm auf. Meine eigene Tochter. Wenn sie nun das Produkt irgend eines Aktivators wäre und nicht einer liebenden Umarmung? Hatte Pater Crispin wirklich recht? Hätte sie dann eine Seele?
    Der Schrecken verging, Schuldgefühle und Reue traten an seine Stelle. Jonas Wade hatte mit großen Worten dafür plädiert, daß man Mary Ann McFarlands Kind als normales kleines menschliches Wesen annehmen solle; und in diesem Moment hatte er selbst seine eigene Tochter als seelenloses Geschöpf gesehen und verabscheut.
    Heuchler, dachte er.
    »Daddy?«
    Er kniff die Augen zusammen und bemühte sich, ihr seine ungeteilte

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