Bitterfotze
zu geraden Rücken hatte. Er patrouillierte zwischen den Tischen wie ein alter Soldat. Leise pfeifend und mit strengem Blick. Hinter ihm hinkte seine Frau (merkwürdig, dass mir neulich nicht aufgefallen war, dass sie hinkte?), und als sie in die Nähe meines Tischs kam, bemerkte ich, dass sie ein Hörgerät trug! Daher sein wildes Gestikulieren. Er hatte keine andere Wahl!
Manchmal fallen die Puzzlestücke an ihren Platz, und ich muss einfach lachen. Vielleicht weil der Rotwein heute Abend besonders gut war und ich hier auf meinem Balkon sitze, frisch gebadet und satt, und die Sonne hinter dem Vulkan Teide untergehen sehe. Oder ganz einfach weil das Bitterfotzige in mir recht hat mit seinen zynischen Beobachtungen?
Ich erinnere mich an einen Artikel in einer Boulevardzeitung mit der Überschrift: »Es ist schwierig, Frauen zuzuhören.« Und die Einleitung lautete: »Jetzt hast du eine Entschuldigung, warum du deiner Frau nie zuhörst. Es ist schwieriger, Frauen zuzuhören als Männern, haben britische Wissenschaftler herausgefunden.«
Ich dachte über die ausschließende Anrede nach: »Jetzt hast du eine Entschuldigung, warum du deiner Frau nie zuhörst.« Dass sie sich nicht mal die Mühe machten, so zu tun, als würden sie sich sowohl an männliche als auch an weibliche Leser wenden.
Dann präsentierten sie einen unglaublichen Zirkelschluss, der darauf hinauslief, dass Psychologen an der Universität von Sheffield untersucht hatten, wie lange Männer Frauen zuhören können, ohne die Konzentration zu verlieren. Und man höre und staune: Es stellte sich heraus, dass Männer größere Probleme hatten, Frauen zuzuhören als Männern! Der Reporter hatte sogar einen der Wissenschaftler interviewt, der meinte, es käme daher, dass Frauen eine Sprachmelodie haben, die es schwerer macht, zuzuhören … Der Artikel war natürlich von einem Mann geschrieben, und ich stellte mir vor, wie der Artikel wohl ausgesehen hätte, wenn eine Journalistin ihn geschrieben hätte.
»Nun ist es bewiesen, Männer sind dümmer. Jetzt hast du eine Erklärung, warum dein Mann dir nie zuhört. Männer haben Probleme, sich zu konzentrieren, Grund dafür ist ein kleiner genetische Hirnschaden, haben britische Wissenschaftler herausgefunden.«
Glücklicherweise gibt es auch weibliche Wissenschaftler, und die kommen oft, was für ein Zufall, zu ganz anderen Ergebnissen. Meine absolute Favoritin Carin Holmberg schreibt in ihrem Buch Man nennt es Liebe über das Phänomen des Nichtzuhörens. Sie hat jede Menge (heterosexuelle) Paare über alle möglichen Beziehungsprobleme interviewt. Unter anderem hat sie auch gefragt, wie sie einander zuhörten. Und, was für eine Überraschung, Männer sagten, sie hätten größere Probleme zuzuhören als ihre Partnerinnen. Die Frauen hingegen sagten, sie verstünden, warum die Männer Probleme hätten zuzuhören, weil sie selbst fänden, dass sie über Dinge redeten, die unwichtig oder uninteressant seien!
»Sie selbst finden, dass sie gut zuhören können. Das muss man natürlich im Verhältnis dazu sehen, dass er nicht viel redet.«
Das ganze Buch ist eine flammende Abrechnung und eine eingehende Studie über die Ungleichheit zwischen Männern und Frauen und die alltägliche Unterdrückung. Eine der Theorien von Carin Holmberg ist, dass die freiwillige Unterordnung von Frauen die männliche Überordnung unsichtbar macht, und zwar für beide. Dass wir ständig antworten, ausgleichen und »freiwillig« Rollen und Haushaltstätigkeiten übernehmen wie eine coabhängige Alkoholikerfrau. In diesen Überlegungen erkenne ich mich problemlos wieder. Sich bewusst zu werden, dass man unterdrückt wird, ist schmerzhaft, und man verschließt so lange wie möglich die Augen davor …
Was aber richtig wehtut, ist, wenn Carin Holmberg sich fragt, wie es kommt, dass Männer sich nicht an der selbstverständlichen Überordnung stören.
Wenn ich als Weiße in Südafrika unter der Apartheid gelebt hätte und eine Beziehung mit einem schwarzen Mann eingegangen wäre, dann hätte es mich unendlich gequält, dass wir in den Augen dieser Kultur nicht als gleichberechtigt angesehen worden wären. Wenn ich ihn trotz der äußeren Hindernisse weiterhin geliebt hätte, dann hätte ich mein Leben dem Kampf gegen die Apartheid geweiht.
Die Liebe – die größte und schönste Kraft, die es gibt, die wirklich Wunden heilen und Menschen zum Besseren wandeln kann.
Wie kommt es, dass Männer, im Namen der Liebe, nicht alles tun,
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