Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bitterfotze

Bitterfotze

Titel: Bitterfotze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Sveland
Vom Netzwerk:
freut sich jedes Jahr wieder über jede Kleinigkeit.
    Von den vielen hässlichen Jahren, die sie durchgemacht hat, ist geblieben, dass sie immer noch mit dem Rücken zu uns an der Spüle steht. Staubsaugt, Kartoffeln schält, einen Hefeteig gehen lässt, dabei einen Schluck lauwarmen Kaffee trinkt und einen Zug aus ihrer Zigarette nimmt. Sie kann nicht einfach nur dasitzen, sie glaubt, ihr Wert liege im Bedienen und Saubermachen.
    Lasse, ihr Lebensgefährte seit zehn Jahren, ist nett und meint es gut mit ihr. Er sitzt vor dem Fernseher, geht mit dem Hund raus, mag seine Arbeit nicht, spielt Golf und liest Zeitung. Sitzt in seinem höchsteigenen Fernsehsessel und fragt: Was gibt es heute zum Essen?
    Und Mutter antwortet stolz: »Schweinelende und Ofenkartoffeln.«
    Ich glaube, es geht ihnen ganz gut, trotz der uralten Muster, die man offenbar nicht verändern kann.
    Und doch tut es weh, das mit anzusehen. Ich wünschte, sie würde verstehen, wirklich verstehen, wie wunderbar sie ist. Verstehen, wie dankbar ich bin, dass sie immer da war. Dass sie etwas mit uns unternommen hat, Skiausflüge im Winter und Badeausflüge im Sommer. Dass sie uns manchmal heiße Schokolade mit Schlagsahne zum Frühstück gemacht hat. Dass sie mir eine Madita-Schürze genäht hat, als meine Grundschule hundert Jahre alt wurde. Dass sie zum Elternabend ging. Und zur Abschlussfeier. Dass sie manchmal richtige Bananentörtchen zum Nachtisch gebacken hat. Dass sie oft fröhlich war, obwohl sie es so schwer hatte.
    Manchmal ist sie genauso exzentrisch wie die rothaarige Mutter von Isadora, lacht laut und tanzt in der Disco. Dann bin ich unglaublich stolz auf sie. Über mein Erbe. Ganz ohne Erbe bin ich also nicht.
    Wenn ich sehe, wie sie mit Sigge am Klettergerüst tobt. Er ruft total begeistert, dass sie ein Pirat ist! Sie klettert mit großer Mühe hinauf zu ihm, alle anderen Großmütter bleiben auf dem Boden und schauen verlegen zu. Sie finden vielleicht, dass es zu viel ist? Sie brüllt und schreit nach Sigge. Ich höre ihre schrille Stimme durch den ganzen Park und mir wird innerlich ganz warm. Oder wie sie auf dem fünfzigsten Geburtstag meiner Tante Karaoke sang, obwohl sie keinen Ton trifft.
    Meine Tante Ulla hatte eine Karaokemaschine für das Fest organisiert und sich drauf gefreut, dass ihre Gäste aus sich herauskommen würden. Aber niemand, kein einziger Gast aus der freikirchlichen, ängstlichen Versammlung mit verkniffenen Mündern wollte Karaoke singen. Obwohl sie jeden verdammten Sonntag im Kirchenchor singen. Ich liebe meine Tante und war voller Verachtung für die geizig Stummen.
    Schließlich stand meine Mutter auf und sang schreiend Fyra bugg och en coca cola, es war einfach toll. Keiner klatschte, die Gäste schauten sich nur an und machten ein Gesicht, als wollten sie kotzen. Schockiert. Ich wurde so wütend, dass ich eine der Frauen, die besonders schlimm schaute, fragte, ob es ihr nicht gut ging.
    »Doch«, antwortete sie unsicher und kniff den Mund zusammen. Ich wusste natürlich, dass es nicht besonders nett war, sie zu fragen, aber ich musste etwas tun, um meine Mutter gegen all die bösen Blicke zu verteidigen.
    (Später bekam ich meine Strafe, als ich erfuhr, dass ausgerechnet diese Frau vor Kurzem von ihrem Mann verlassen worden war und gerade eine schwere Krebserkrankung hinter sich hatte … schäm dich, Sara!)
    Ja, meine Cousinen und Ulla und Tante Kristine waren die Einzigen, die Bravo riefen, als Mutter sang. Und dann machten wir weiter, trotzten dem Geiz und brüllten unsere Freude heraus.
    Ich sang ein Lied von Ebba Grön. 800 Grad. Du kannst dich auf mich verlassen, du kannst dich auf mich verlassen. Ich hopste wie ein Punk in Ullas kleinem Wohnzimmer herum. Mutter lag auf dem Boden vor Lachen, sie lachte laut und schrill wie immer.
    Sie lachte über mich. Das war ein großer Augenblick in meinem Leben.
    Dann bemerkten wir, dass fast die ganze Geburtstagsgesellschaft sich auf Ullas kleinen Balkon verzogen hatte, um uns nicht zuhören zu müssen. Aber wir waren so überdreht, dass wir weitermachten.
    All Shook up, Let’s Go to the Hop, I Will Survive, Good Vibrations.
    Um elf waren die letzten freikirchlichen Gäste gegangen, es gab noch jede Menge Schampus und wir machten weiter bis spät in die Nacht. Sangen für uns, waren berauscht von unserer Großartigkeit.
    Meine mutige, angeberische, fröhliche Mutter. Die sich einen Dreck um die Geizhälse schert.
    Nein, so ganz ohne Erbe bin ich wirklich

Weitere Kostenlose Bücher