Bitterfotze
sich über mich lustig machte.
Vermutlich sah er meine Verzweiflung, denn jetzt wurde sein Tonfall bittend.
»Bist du selbst schon einmal in Thailand gewesen?«
»Nein …«, sagte ich, und er nickte nachdrücklich.
»Das habe ich mir gedacht! Man kann es eigentlich nicht verstehen, wenn man noch nie in Thailand war. Sie haben eine ganz andere Kultur, was diese Dinge betrifft«, dozierte er.
»Du willst wohl nicht sagen, dass es zur Kultur der Thailänderinnen gehört, sich zu prostituieren?«, sagte ich und merkte, wie meine Stimme eine hohe, schrille Tonlage einnahm.
»Man kann es jemanden, der noch nie dort war, sehr schwer erklären, aber es sind Mädchen, die wollen nicht sechzehn Stunden am Tag in einer Fabrik schwitzen und wählen deshalb eine einfachere Art des Geldverdienens.«
»Bitte, hör jetzt auf. Ich möchte das nicht mehr hören«, sagte ich und trank schnell drei Schlucke Rotwein.
Da kam der Produzent an unsere Ecke des Tischs und setzte sich.
»Hört mal, alle glauben, dass ihr miteinander flirtet, ihr redet jetzt schon so lange miteinander, dass alle glauben, ihr seid, wie soll ich sagen, zusammen …«
Er war ziemlich betrunken und konnte den Blick nicht fokussieren.
»Na ja, wir haben ein bisschen diskutiert, und Sara ist ziemlich böse auf mich«, sagte mein Kollege und schaute auf den Tisch.
»Wieso das denn?«, fragte der Produzent und grinste, dass man den Kautabak sehen konnte. Wer dumm fragt, bekommt eine dumme Antwort, dachte ich.
»Dennis hat mir gerade erzählt, dass er früher zu thailändischen Prostituierten gegangen ist, und das hat mir nicht gefallen«, sagte ich und starrte den Produzenten an. Er sperrte die Augen auf, und für einen Moment war sein Blick klar, dann stand er schnell auf und ging zur Toilette.
Mein Kollege stand auch auf und setzte sich ans andere Tischende. Ich blieb alleine sitzen und merkte, wie die Tränen hinter den Lidern brannten. Verdammt, jetzt bloß nicht heulen, bloß nicht heulen, bloß nicht heulen, Lampenschirm, Lampenschirm, Lampenschirm.
Es war spät, ich hatte zu viel getrunken, ich nahm mein Fahrrad und fuhr durch die kalte Frühlingsnacht nach Hause. Dabei weinte ich so heftig, dass ich unterhalb des Schlosses anhalten und das Fahrrad schieben musste. Ich schaute zu den verkleideten jungen Männern hinauf, die das Schloss bewachten, und ich dachte an den armen König und seine arme Königin und ihre armen Kinder. Was für ein verlogenes Leben, diese armen Teufel!
Ich setzte mich auf den Rand des Gehsteigs und dachte über die Spiele nach, die wir ständig spielen. Wie schwer es ist, geradeheraus und ehrlich zu sein, am allerschwersten, ehrlich zu sich selbst zu sein.
Ich weinte über alle verdammten Freier, über Produzenten und männliche Chefs und weibliche Produzentinnen und Redakteurinnen, die das Männerspiel mitspielten. (Es gibt einen besonderen Platz in der Hölle für Frauen, die anderen Frauen nicht helfen!) Ich weinte über alle kumpelhaften Kollegen. Ich weinte, weil ich zu viel getrunken hatte und weil ich ein Mensch war.
Der Kreis hatte sich geschlossen, und als ich schließlich aufstand und nach Hause radelte, weinte ich nicht mehr, mir wurde vielmehr klar, in welcher Scheiße ich das vergangene Jahr gesteckt hatte. Oder, wenn man das Ganze mit klarem Blick betrachtet: In welche Scheiße ich mich stecke, wenn ich als Journalistin arbeiten will.
Es gibt statistische Belege aus verschiedenen Arbeitsbereichen – Frauen bekommen Halbtags- oder Teilzeitverträge, Männer bekommen Vollzeitverträge, feste Anstellungen, bessere Bezahlung usw., usw …
Dass weibliche Doktoranden in Medizin viermal so qualifiziert sein müssen, um Forschungsstellen zu bekommen. Das Gleiche gilt natürlich auch für den Journalismus, aber, oh Wunder, es gibt keine Untersuchungen aus dem Journalismus oder den Medien.
Ich versuche wirklich, meinen Wert zu erkennen. Meinen Wert zu spüren. Ich wünschte nur, es wäre nicht so anstrengend.
Als würde es keine Rolle spielen, wie viele Preise, wie viele gute Rezensionen ich bekomme, ich habe immer nur das verdammte Gefühl: Pfau.
»Hampus! Cornelia«, ruft eine Frau verzweifelt ihren beiden kleinen Kindern zu, die sich wild vor Glück gefährlich nah am Pool jagen. Sie sucht den Blick ihres Mannes, der jedoch damit beschäftigt ist, die Bierflasche aus der Nähe zu betrachten, Heineken, es wird im hoteleigenen Supermercado billig verkauft.
Hier im Hotel La Quinta Park sieht man eine ganze
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