Bitterfotze
Menge Väter am Pool Bier trinken, während die Mütter den Kindern hinterherrennen. Immer diese allzeit bereiten Frauen und die abwesenden Männer. Die pure Angst. Was würde passieren, wenn die Frauen sagten Ya basta!?
Hier am Pool. Wenn ich sehe, wie der Mann sein viertes Heineken trinkt, gestatte ich mir ein bisschen Wunschdenken: Jetzt hau schon ab, Mädel!
Ich denke an meine Mutter. Geliebte Mama! Ein ungeschliffener Diamant, sie hat nie begriffen, was in ihr steckt. Mit anderen Eltern, anderen großen Brüdern hätte sie es vielleicht begriffen.
Denn wenn sie ihren Wert gekannt hätte, dann hätte sie unseren Vater vielleicht schon verlassen, als er sie das erste Mal anschrie, wie hässlich und wertlos sie sei. Sie hätte ihn angeschaut, als wäre er wahnsinnig, und in aller Ruhe gesagt: »So spricht niemand mit mir. Du kannst deine Sachen nehmen und gehen.«
Stattdessen hat sie weiter Geschirr gespült. Mit dem Rücken zum Vater, zu uns. Und mein Vater hat sie weiter angeschrien, und jetzt sitze ich hier am Pool und beobachte die Heinekenväter und begreife, wie schrecklich wütend ich auf meinen Vater bin. Nicht so sehr, weil er nie da war – ein halber Vater, damit hätte ich leben können. Sondern wegen all der schrecklichen Ausdrücke, mit denen er Mutter beschimpft hat.
Es gibt eine brutale Gerechtigkeit, nämlich, dass sie, die sich die ganzen Jahre um uns gekümmert hat, auch die bessere Beziehung zu uns hat. Dass sie, die immer die sozialen Kontakte mit Freunden und Verwandten pflegte, sie auch behalten hat. Sie hat sogar noch Kontakt zu ihrer Schwiegermutter, meiner Großmutter, und zu den Schwestern meines Vaters, Kristina und Solveig. Mein Vater hat, glaube ich, in seinem ganzen Leben noch keine Geburtstagskarte geschrieben.
Meine Mutter ist das lebende Beispiel für die allgemein bekannte Tatsache, dass Frauen aufblühen, wenn sie sich scheiden lassen, während Männer plötzlich feststellen, wie allein sie sind.
Die Männer zahlen einen Preis für ihre Überordnung. Das muss eine bittere Erkenntnis sein, wenn man so viele Jahre alles serviert bekommen hat. Jetzt hockt mein Vater allein in seiner Wohnung und macht hilflose Versuche, Kontakt zu seinen Kindern zu finden, die ihm nur höflich antworten.
Fühlt er sich schuldig? Sieht er etwas ein? Oder ist alles nur ein einziges Gebräu aus Vergessen und Verdrängen?
Vielleicht weint er nachts. Genau wie ich, als ich klein war und ihn über dem Popcorn weinen sah.
Damals, vor langer, langer Zeit, da konnte er mich tatsächlich trösten, wenn ich traurig war. Das vergesse ich nicht.
Aber ich vergesse auch nicht, wie er mich in Angst und Schrecken versetzte, wenn er Mutter quälte. Was für eine Angst ich vor ihm hatte. Wie er für immer ein Vater wurde, auf den ich mich nicht verlassen konnte. Ein Vater mit dunklen Seiten, die ihn manchmal Grenzen überschreiten ließen.
Meine erwachsene Angst ist die gleiche wie die meiner Kindheit. Ein abgrundtiefes Loch, das sich öffnet, und ich habe keine Ahnung, wie ich es überwinden soll. Ein nachtschwarzes Dunkel in einem Vakuum.
Und ganz tief in mir drin gibt es diese abgrundtiefe Sehnsucht nach einem verlässlichen Vater, der einen tröstet. Aber auch meine Enttäuschung ist abgrundtief. Und sie steht der Versöhnung im Weg.
Deswegen klinge ich wie eine Frau in einem Callcenter, wenn ich hin und wieder mit ihm spreche. Und da er mir noch nie eine Karte zum Geburtstag geschrieben hat, schicke ich ihm auch keine mehr.
Ich rufe nur an und gratuliere.
Geburtstage machen die Scheiße sichtbar. Wie eine Kollegin beim Sender, eine Frau um die fünfzig, eines Tages feststellte: »Wenn er Geburtstag hat, dann räume ich die Wohnung auf, lade Freunde und Verwandte ein, kaufe ein, koche das Festmenü und besorge Geschenke. Und wenn ich Geburtstag habe, dann räume ich die Wohnung auf, lade Freunde und Verwandte ein, kaufe ein, koche das Festmenü und besorge Geschenke.«
Wenn Mutter Geburtstag hatte, dann schleppte Vater sich mühsam aus dem Bett, nachdem Kajsa und ich ihn mit leisen Knüffen geweckt hatten. Er kam schließlich in die Küche, wo wir schon ein Frühstückstablett vorbereitet hatten. Wir pflückten Stiefmütterchen, die Mutter vor das Reihenhaus gepflanzt hatte, damit man nicht sah, was alles fehlte.
Dann gingen wir zum Schlafzimmer hinauf und sangen so laut es ging, um Vaters Schweigen zu übertönen.
Meine Mutter sagt heute noch, dass sie sich nichts zum Geburtstag wünscht.
Und
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