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BitterSueß

BitterSueß

Titel: BitterSueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Ippensen
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dumm von mir war. Nein, die Sache ließ mich völlig kalt. Und so blieb es auch.
    Im Park dauerte es nicht lange, bis mich »Rudi« auf eine Bank zog, und er schien überhaupt nicht zu bemerken, dass ich mittlerweile verdächtig still geworden war und seine Hand nicht halten wollte.
    Ja, und dann fand ich heraus, was DER unter Dominanz verstand: Er umklammerte mich ganz fest mit den Armen und presste hart seinen Körper an meinen, bis mir ein bisschen die Luft wegblieb. Das war überhaupt nicht erregend, im Gegenteil, das törnte mich voll ab.
    Shit, dachte ich und ließ die Klammer-Umarmung über mich ergehen. Und dann: Knutschereien und Fummeleien auf der Parkbank, über diesen Teenie-Kram hatte ich mich wirklich hinaus entwickelt, das war es GAR NICHT, was ich mir erträumte.
    Hin und wieder flackerte trotzdem – verrückt genug – Geilheit in mir auf, und ich versuchte, sobald Rudi seinen Griff lockerte, mich ein wenig zu drehen, einmal kam ich halb über seinen Schoß zu liegen auf der Bank und ich streckte ihm einladend meinen Po hin – umsonst, er reagierte nicht darauf. Entweder kapierte er es nicht, oder er wollte es mir nicht geben, das Resultat war jedenfalls das gleiche: Ich fühlte mich leicht gedemütigt, und zwar real, was nicht erregend war.
    Laut artikulieren konnte ich das nicht. Dieser Pseudo-Dom hatte mich zwar nicht gefesselt, aber meine Zunge lag in Ketten. Wieder mal. So wie damals, mit Manfred. Gab es denn überhaupt keine Weiterentwicklung?
    Plötzlich hatte ich genug. Es war, als sei ein Faden gerissen.
    Ich sagte, dass ich keine Lust mehr hätte und nach Hause wollte. Ich sagte das barsch, also nicht im Mindesten in einem süßen Subbie-Ton, und »Rudi« legte bedauernd seine Denkerstirn in Falten.
    »Wir telefonieren.« Der Todesstoß zum Abschied. Wir trennten uns ohne Kuss.
    Ich war etwas verwirrt und auch genervt, und als am Parkeingang wie verabredet mein Handy summte, las ich froh Marie-Louises Cover-SMS: »Alles ok?« – exakt zum verabredeten Zeitpunkt, auf meine Mitbewohnerin war wirklich Verlass – und freute mich, mit ihr reden zu können.
    »Also, das war diesmal ein Schlag ins Wasser«, erzählte ich. »Wir passten nicht zusammen.«
    »Aber es geht dir gut?«, erkundigte sie sich.
    »Ja.« (Leider habe ich nicht einmal einen blauen Fleck, fügte ich in Gedanken hinzu und wünschte mir, mir endlich diesen berühmten Ruck geben zu können, um baldmöglichst einmal richtig offen mit Marie-Louise über meine NEIGUNG zu sprechen. Bislang hatte ich nur Andeutungen gemacht, das war nicht genug.)
    »Na, komm nach ’aus und isch koch uns einen schönen Thé«, sagte sie auf ihre liebevolle, herzlich-zupackende Art.
    Ich kam ziemlich schnell über das enttäuschende kleine Erlebnis mit »Rudi« hinweg.
    Eins stand für mich weiterhin fest: Ich hatte Blut geleckt. Ich wollte unbedingt mehr erfahren, erleben, am eigenen Leibe spüren. BDSM. Vier magische Buchstaben, wobei schon die beiden letzteren die ganze Magie enthielten, die ich suchte.
    Diese Reise wollte ich fortsetzen, egal, wieviele Irrwege, Kehrtwendungen, Umwege und zugewachsene Trampelpfade es auf diesem Trip geben würde.
    UND: Mir kommt auf einmal die glashelle Erkenntnis, dass ich meine Erfahrungen doch mitteilen möchte. Ich habe nichts mehr dagegen, dass andere meine Aufzeichnungen lesen, im Gegenteil. Ein Austausch wäre sicherlich eine gute Sache!
    Oh, da war sie aber – ausgesprochen froh, und ein Stein fiel ihr von der Seele! Jetzt las sie diese zehn Jahre alten Notizen noch einmal so gern. Je intensiver sie sich in den Text hineinvertiefte, desto mehr wurde ihr bewusst, dass Janet wirklich ihr Alter Ego war … nur aus einer anderen Zeit. Aus grauer SM-Vorzeit gleichsam, berücksichtigte man die Überschallgeschwindigkeit, mit der sich heute die Gesellschaft und alles Drumherum zu entwickeln schienen, mobiler und vernetzter mit beinahe jedem Tag, der verstrich … ja, heutzutage wäre ein Genscher, der damals in den 70ern scheinbar so schnell flog, dass er sich selbst begegnete, eine lahme Schnecke.
    2002. Da war die SM-Welt noch nicht so – durchgestylt. Dieses nicht gerade aussagekräftige Adjektiv fiel ihr als erstes ein. Die Szene war wilder, zerzauster, hatte mehr Ecken und Kanten. Ein Standard-BDSM-Werk wie »Die Wahl der Qual« von Kathrin Passig und Ira Strübel, war gerade mal zwei Jahre auf dem Markt und – literarisch gesehen besetzte die Subkultur die am weitesten von der Mitte entfernten

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