Bittersüße Heimat.
umständlich, beschert uns aber in Urfa ein preiswertes Zimmer in einem schönen Hotel. Denn seit Beginn der »TV-Werbung« für den Krieg (immer gleiche Bilder aufmarschierender Soldaten) sind viele der Zimmer, die sonst von muslimischen Pilgern oder Kulturreisenden aus aller Welt belegt sind, storniert worden.
Die Stadt des Propheten
Unser im altosmanischen Stil gehaltenes Hotel in Urfa hat eine besondere Attraktion zu bieten: Foyer und Restaurant sind direkt an den Felsen des dahinterliegenden Berges gebaut worden. Ein Wasserbecken fängt das aus dem Fels sprudelnde Quellwasser auf, und es ist angenehm, in den kühlen Räumen zu sitzen. Auf keinen Fall sollten wir ein siragecesi , ein Konzert mit klassischer türkischer Musik, versäumen, sagt man uns, für diese Konzerte sei die Stadt berühmt. Sie werden von Familien organisiert, die in alten avlu , Hofhäusern, wohnen. Der Portier verspricht, uns Plätze für einen solchen Abend reservieren zu lassen.
Das Land um eine der ältesten Städte der Welt gilt als Wiege der abrahamitischen Religionen, des Judentums, der Christenheit und des Islam. Abraham, den die Muslime Ibrahim nennen, soll hier in einer Grotte geboren sein.
Direkt gegenüber unserem Hotel erhebt sich die berühmte Yesil Kilise , die Grüne Kirche, die im 13. Jahrhundert in eine Moschee umgewandelt wurde. Heute befindet sich eine große Medrese, eine Koranschule, in dem Gebäude. Davor erstreckt sich das berühmte Abrahamsbecken, Halil Rahman Gölü , das mit den Teichen im anschließendem Park verbunden ist und von der sogenannten Roha-Quelle am Fuße des Burgberges gespeist wird. In dem von Säulenarkaden eingefassten Becken schwimmen »heilige Karpfen«. Wie die Legende besagt, befand sich Abraham auf dem Weg von Ur nach Kanaan, auf der Flucht vor König Nimrod, dem sagenumwobenen Gründer Urfas und Herrn des Turmbaus zu Babel, der ihn strafen wollte. Denn Abraham hatte es gewagt, die Standbilder der Götzen zu zerschlagen – so der Koran in der Sure 21, »Die Propheten«, Vers 51 bis 70. Als Abraham sich weigerte, Reue zu zeigen, ließ Nimrod ihn ins Feuer werfen. Doch Gott rettete ihn und ließ einen kräftigen Sturm aufziehen. Abraham wurde davongetragen und flog mitsamt Asche in den Teich; aus der Asche wurden heilige Fische.
In Abrahams Höhle
Ein junger Mann humpelt auf uns zu und fragt, ob er uns die Stadt zeigen dürfe. Wir bedanken uns, wollen uns aber lieber allein umschauen. Als wir etwas später am Beckenrand die fetten Karpfen bewundern, steht er plötzlich wieder neben uns und erzählt, dass die Karpfen oft von Besuchern gefüttert werden, die sich dabei etwas wünschen oder Allah um Vergebung bitten. Das hätten viele auch nötig, sagt er lachend. Er begleitet uns unaufgefordert weiter durch den Park, bis wir zur »heiligen Höhle« Abrahams kommen. Sie hat zwei Eingänge, einen für Frauen, einen für Männer. Peter ist heute der einzige Mann, der die heilige Stätte besuchen will, bei den Frauen hingegen gibt es eine lange Schlange. In der kleinen Höhle kann man durch eine große Scheibe aus Plexiglas ein effektvoll beleuchtetes türkisfarbenes Wasserbecken anschauen, das den »Ort der Verehrung« darstellt. Die Frauen neben mir sind verschleiert, knien auf dem Boden, küssen die Scheibe, beten und sprechen dabei Wünsche aus. Eine Frau beginnt zu schluchzen und schlägt immer wieder mit ihrem Kopf gegen das Glas. Dannzerrt sie auch noch ihre kleine Tochter herbei und drückt deren Hand an die Scheibe. Mich bedrücken die Enge, die Feuchtigkeit und die hysterischen Schreie der weinenden Frauen, ich atme auf, als ich diesen Ort wieder verlassen kann.
Der Basar
Wir machen uns auf den Weg in die Altstadt. Unser Begleiter stellt sich vor, er heiße Ismail, es sei ratsam, ihn zur Seite zu haben, sagt er, die Leute seien nicht besonders freundlich zu Ungläubigen. Wir fügen uns in unser Schicksal.
Der überdachte Basar in der Altstadt von Urfa ist sehr orientalisch. Die einzelnen Gassen sind nach Handwerken organisiert, in der einen Gasse gibt es nur Schuhe, in anderen Stoffe, Silberwaren, Holz oder Goldschmuck. Die Männer sitzen vor ihren kleinen Läden und warten auf Kunden. Kaum eine Frau ist in den engen Gassen zu sehen. In der Mitte des Marktes befindet sich ein großer Hof in einer alten Karawanserei, dort bekomme man den besten Mocca der Stadt, behauptet Ismail. Männer sitzen an den Tischen, trinken Tee. Einer repariert an einem Tisch Uhren, ein anderer, vielleicht
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