Bittersüße Heimat.
den aramäischen Begriff »Dayr Bekir«, erste Kirche, zurück, während er heute von türkischer Seite als »Gebiet des Kupfers« gedeutet wird. Die Süryanäer oder Süramäer, auch als Jakobiten oder Assyrer bezeichnet, ein Volk aus Mesopotamien, das heute in Syrien und der Türkei lebt, sind eine der ältesten christlichen Gemeinschaften aus dem ersten Jahrhundert nach Christi und seit der ersten Kirchengründung durch Apostel Paulus im Jahr 37 n. Chr. in Antakya in der Gegend heimisch. Dort, an der syrischen Grenze, soll die älteste Kirche der Christenheit stehen.
Das Konzil von Nicäa
Der Bischof von Antakya nahm wie seine Kollegen aus Alexandria, Rom und Konstantinopel im Jahre 325 n. Chr. auf dem Konzil von Nicäa, heute Iznik, an einer theologischen Debatte teil, in der Jesus als Gottessohn infrage gestellt wurde. Der römische Kaiser Konstantin hatte zu dem Konzil geladen, zu dem 2000 Würdenträger aufmarschierten, darunter über 300 Bischöfe. Man einigte sich zwar noch einmal auf das Glaubensbekenntnis von Nicäa, aber in der Folge war die Abspaltung der orthodoxen Kirche nicht mehr aufzuhalten, die sich 431 n. Chr. infolge des Konzils von Ephesus endgültig vollzog. Schon die ersten Christen in Mesopotamien waren in mehreren theologischen Disputen aneinandergeraten und hatten sich in diverse Richtungen gespalten.
Mitte des 6. Jahrhunderts löste sich der Mönch Jakob Baradaivon der byzantinischen Staatskirche und schuf eine eigene Religionsgemeinschaft, die syrisch-orthodoxe Kirche.
Das Siedlungsgebiet der Süryanäer, die sich als »Assyrer« ethnisch von den auch in der Gegend siedelnden Kurden abgrenzten, reichte von der südtürkischen Landschaft um das Tur-Abdin-Gebirge bis weit hinüber nach Bagdad und bis in den heutigen Iran.
Pater Gabriel in Mardin
Auf dem Gelände der »Kirche zur Jungfrau Maria« in Diyarbakir ist das Haus des Geistlichen längst verwaist. Zu besonderen Anlässen kommt der Bischof aus der nahen Stadt Mardin, Pater Gabriel, und zelebriert den Gottesdienst. Wir haben Pater Gabriel, einen freundlich-bedächtigen Mann voller Geschichten, einige Tage zuvor in Mardin getroffen. 2003 hat ihn der Patriarch der syrisch-orthodoxen Kirche in Antakya ins Amt des Hori Episkopos, des Bischofs, berufen. Pater Gabriel spricht sechs Sprachen – Süryanäisch, eine Sprache, deren frühere Form die Muttersprache Jesu gewesen sein soll, Türkisch, Arabisch, Englisch, Osmanisch und Kurdisch. Seine geistige Heimat aber ist die süryanäische Kultur, ihren Glauben und ihre Traditionen möchte er bewahren helfen. Dafür sucht er den Dialog, seine Aufgabe sieht er darin, Brücken der Verständigung zur türkisch-muslimischen Gesellschaft zu schlagen.
Bei ihm sitzt, als wir ihn besuchen, Jakob, ein junger Hitzkopf von 22 Jahren, der mit seinen Eltern aus dem quirligen Istanbul nach Mardin gezogen war. Sein Vater hat die alte Handwerkskunst der Silberschmiedearbeit zurück in die Stadt gebracht, für die die Süryanäer jahrhundertelang berühmt waren. Erst durch den hochgebildeten Pater hat Jakob von der Geschichte des Volkes erfahren, dem er selbst angehört: »In Istanbul wusste ich nicht mal, wer unser Volk ist, hier habe ich zum ersten Mal gehört, dass wir zu den ältesten Christen der Welt gehören. Das gibt mir die Kraft, an einem Ort wie diesem, der jungen Menschen nichts zu bieten hat, mein Leben zu gestalten. Ich möchte mit der neuen süryanäischen Jugend unsere alte Kultur und das, was die Türken davon übrig gelassen haben, retten.« Und dafür ist Jakob auch bereit, sich mit der muslimischen Umgebung anzulegen.
Am Tag vor unserem Besuch war er in einem nahe gelegenen Dorf in der Ruine eines alten Klosters auf eine uralte Holztür – vermutlich christlichen Ursprungs – mit schönen Schnitzereien gestoßen. Die Dorfbewohner waren gerade dabei, aus den Ruinen alles fortzuschleppen, was sich als Brennholz nutzen ließ. Als Jakob die Tür retten wollte, stellte sich ihm der Bürgermeister in den Weg und jagte ihn davon. Die riesige Tür wurde achtlos einen Abhang hinuntergestoßen. Jakob will die Tür nun unbedingt bergen und nach Mardin holen, Pater Gabriel soll ihm dabei behilflich sein, eine entsprechende amtliche Genehmigung zu erwirken. Aber der Pater, der den fragilen Dialog mit den Muslimen nicht gefährden möchte, will sich auf solche Auseinandersetzungen nicht einlassen, er hofft auf die Bestimmungen der EU, die solche Fragen künftig regeln wird. Er ist dankbar, dass
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