Bittersüße Nacht - McLeod, S: Bittersüße Nacht - The Bitter Seed of Magic
herumschwebten.
Ich bekam eine Gänsehaut. Rasch schaute ich mich in der Kuppel um, konnte aber niemanden sehen, außer meinen minderbemittelten Schutzengel. Ich raffte eine Handvoll Federn zusammen und wedelte damit. »Du weißt nicht zufällig, was die bedeuten könnten?«, fragte ich in beiläufigem Ton.
Sie kam zu mir zurückgehüpft, beugte sich vor und schaute mir in die Augen. In den Tiefen ihrer blassgoldenen Augen regte sich auf einmal etwas Uraltes, etwas Gemeines, Gefährliches. Ich bekam einen Riesenschreck und musste einen Angstschrei unterdrücken. Nur mit äußerster Willenskraft gelang es mir, nicht davonzulaufen.
Dann war dieses Etwas ebenso plötzlich wieder verschwunden, wie es aufgetaucht war. Ich sackte erleichtert zusammen. Engel quietschte entzückt, riss mir die Federn aus der Hand und warf sie in die Luft. Die Federn verwandelten sich in riesige Krähen, die nach oben flatterten und sich unter die dicken kleinen Putten mischten. Engel klappte ihre Flügel auf und wieder zusammen und tanzte dann abermals davon.
Ich blieb zusammengekauert in den Wattewölkchen sitzen und holte ein paar Mal tief Luft, um mein rasendes Herz wieder einigermaßen unter Kontrolle zu bringen. Verdammt. Ein geistig minderbemittelter Engel ist schlimm genug, aber nichts gegen den Trittbrettfahrer, den er beherbergte. Immerhin, ich hatte meinen kleinen Hinweis gekriegt. Jetzt musste ich nur noch rauskriegen, was …
Etwas Feuchtes rann mir über die Nase, und ich wischte es automatisch weg. Ich schaute meine Finger an. Blut? Ich schnupperte. Es roch süß und metallisch, aber der Lakritzgeruch fehlte. Dieses Blut war nicht mit 3V infiziert.
Also nicht meines.
Ich wischte mir die Hand an der Jeans ab und schaute blinzelnd nach oben. Zwischen den rotbackigen Putten und den schwarzen Raben flogen nun auf einmal Kuscheltiere herum. Es sah aus wie ein buntes Kindermobile, das man über das Gitterbettchen eines Säuglings hängt: ein flauschiger Eisbär, eine Meerjungfrau mit glitzerndem Fischschwanz, ein pelziger rotbrauner Stier. Wieder landete ein dicker Blutstropfen in meinem Gesicht, und ich zuckte zurück. Ein Einhorn mit Schleifchen flog über mich hinweg, gefolgt von einem Drachen mit kupferfarbenen Schuppen. Dem nächsten Blutstropfen konnte ich ausweichen. Stirnrunzelnd sah ich über mir zwei Pferde, ein silbernes und ein schwarzes dahintraben, gefolgt von einem dicken braunen Teddy …
Die Krähen jagten die Kuscheltiere und schlitzten sie mit ihren scharfen Schnäbeln auf, daher das Blut.
Meine Nackenhaare sträubten sich.
War das auch ein Hinweis oder nur eine Art grausames Spiel?
In diesem Moment kam Engel mit einem Wutschrei auf mich zugestürzt. Ich riss schützend die Arme hoch, aber bevor ich etwas unternehmen konnte, hatte sie ihre Hand tief in meine Brust gerammt. Der Zauber ihrer goldenen Augen brannte sich in meine Seele. Ihre Faust in meiner Brust umklammerte etwas und riss es heraus. Ich schrie auf vor Schmerzen. Um mich herum wurde alles auf einmal grau, hungrige Mäuler drangen auf mich ein und ich hörte von fern Schreie …
Und dann war ich plötzlich wieder im Disney-Himmel und starrte schockiert auf das, was Engel triumphierend hochhielt: einen Haufen sich windender, ekelerregender Eingeweide. Überzeugt davon, dass es meine eigenen sein mussten, umklammerte ich meinen Bauch. Und merkte, dass ich vollkommen unversehrt war. Ich schaute noch einmal hin, und da verwandelten sich die Eingeweide in ein Nest zischender, sich windender Schlangen.
»Das ist eine Seele, Kind«, knurrte mir eine bedrohliche Stimme ins Ohr. Es roch auf einmal nach rohem Fleisch. »Keine Angst, es ist nicht deine.«
Wie beruhigend. Aber noch beruhigender wäre es gewesen, wenn diese Information nicht gerade von dieser »Person« gekommen wäre: Ich wandte mich um, und vor mir stand, wie ich es nicht anders erwartet hatte, eine riesige graue Dänische Dogge. Ein überirdischer Glanz ging von ihr aus wie bei einer silbernen Aurora Borealis. Die unheimlichen grauen Augen der Hündin starrten mich gelassen an.
Es war die Phouka, die Hofhündin von Königin Clíona.
Kacke. Dieser Tag wurde immer besser.
justify
5. K apitel
N a so was«, sagte ich gespielt lässig, »wenn das nicht Grianne, meine ungute Fee ist. Warum bin ich nicht überrascht?«
Die Phouka fletschte ihre Zähne, lange, messerscharfe schwarze Fänge, die so gar nicht zu einem normalen Hundegebiss passten. Sie stieß ein zorniges Knurren aus.
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