Bittersüße Nacht - McLeod, S: Bittersüße Nacht - The Bitter Seed of Magic
erkannt, Mylady.« Die in seine Dreadlocks geflochtenen Silberperlen nahmen eine warnende rote Signalfarbe an. »Es ist ein Horn des MacCúailnge.«
Das Horn stammte vom MacCúailnge, ihrem Sohn? Kein Wunder, dass sie es so fasziniert angeglotzt hatte. Aber ihr Sohn war ja angeblich hingerichtet worden. Handelte es sich hier also nur um ein makabres Erinnerungsstück? Oder hatte uns da jemand – sprich, Lady Meriel – nicht die ganze Wahrheit gesagt?
»Aye, es ist ein Horn des MacCúailnge«, wiederholte sie, seine schottische Aussprache nachahmend, »aber sag mir eines, Kelpie: Woher weißt du , was für ein Horn das ist?«
Seine Kiemen fächerten sich auf und legten sich dann wieder eng an seinen Hals. Er machte eine demütige Verbeugung. »Ich war es, der das Horn von seinem Kopf entfernt hat, Mylady.«
Hm. Vielleicht keine so gute Idee, gerade jetzt mit so einer Wahrheit herauszurücken, Tavish.
Ein lauernder Ausdruck trat auf ihr Gesicht. »Du gestehst also, dass du es warst, der ihn getötet hat?«
»Nein, Mylady, das will ich damit nicht sagen.« Seine Haarperlen klickten, wie mir schien, ein wenig nervös. »Aber ich gebe zu, daran beteiligt gewesen zu sein … die Hörner des alten Donn entfernt zu haben.«
Sie versetzte ihm eine schallende Ohrfeige mit dem Handrücken. Tavish geriet ins Stolpern, fing sich aber wieder. Da versetzte sie ihm einen brutalen Kinnhaken. Der Kelpie wurde in die Luft geschleudert und prallte von der Kuppel ab. Stöhnend rappelte er sich wieder auf die Beine. Die Morrígan zerrte wütend an der Kette und brachte ihn erneut zu Fall. »Du bleibst liegen«, befahl sie. Er ließ sich mit einem aufmüpfigen Blick zurücksinken. Von seinem spitzen Kinn tropfte Blut. Ich konnte kaum hinsehen.
»Und jetzt zu dir, kleine Sidhe …«
Überrascht richtete ich meinen Blick wieder auf sie und sah gerade noch, wie sie den Inhalt des Glases in das Horn goss. Dann spuckte sie hinein. Sie hielt es mir hin. »Trink das, und ich werde dir deine Bitte erfüllen …«
Okay. Selbst ohne Spucke: Igitt. Und mit Spucke: Igittigitt!
»… und dir außerdem die Antwort auf deine Frage geben«, beendete sie ihren Satz mit einem gerissenen Lächeln.
Meine Augen wurden schmal. »Welche Frage?«
»Du suchst doch die Antwort auf das Problem des Fruchtbarkeitsfluchs, oder nicht?«
»Ja.« Vorsichtige Hoffnung keimte in mir auf.
Ein triumphierender Ausdruck breitete sich auf ihrem Gesicht aus. »Dann trink das, kleine Sidhe.«
Ich starrte das Stierhorn an. Ich brauchte es nur auszutrinken und würde die Antwort erhalten. Und es war schließlich kein Gift, sondern von seinem Ursprung her genauso natürlich wie die Milch. Und was war schon ein bisschen Spucke zwischen … na ja, Nicht-Freunden. Aber zwischen einer Fruchtbarkeitsgöttin und einer Sidhe? Und genau da hatten wir das Problem: Sie war eine Fruchtbarkeitsgöttin. Und das Austrinken des Horns war sicher keine rein symbolische Handlung. Es hätte sehr reale Folgen. Und ich wäre diejenige, die dann in der Tinte säße, nicht sie. Das wollte ich nicht. Tavishs Reaktion war eine weitere Warnung: Wenn ich aus dem Stierhorn trank anstatt aus dem Glas, bedeutete dies, dass Finn zwar der Spender sein mochte, ich aber nicht mit seinem Kind schwanger werden würde, sondern mit dem der Morrígan.
Mit zitternder Hand nahm ich das Horn entgegen. Es fühlte sich merklich schwerer an, aber vielleicht bildete ich mir das ja auch bloß ein.
»Trink das ja nicht, Püppchen«, warnte mich Tavish leise.
Ich schaute ihn erstaunt an. »Jetzt soll ich dir plötzlich trauen?«
»Denk an die Vision, die sie dir« – er wies mit einer Kopfbewegung auf die Morrígan – »gezeigt hat.«
»Wie könnte ich nicht?«, schnaubte ich. Die Erinnerung an meinen wogenden, dicken Bauch, bei dem sich kleine Hufe und Hörner abzeichneten – so was vergisst man nicht so schnell. »Aber das kann jetzt nicht mehr passieren, oder? Nicht nach deinem Keuschheitszauber.«
»Das war ihre Idee, nicht meine«, brummelte er. »Ich hatte keine Wahl, Püppchen.«
Okay, also definitiv »nicht trinken«. Seine Worte bestätigten meine Vermutung: Sie hatte mich mit dem Keuschheitszauber belegt, um mich vielleicht für genau so einen Augenblick wie diesen rein zu halten. Aber ich brauchte ihre Hilfe, und ich brauchte auch ihre Antwort auf das Rätsel des Fruchtbarkeitsfluchs. Ich musste mir etwas einfallen lassen, um zu erreichen, was ich wollte, auch ohne das igittige Horn austrinken
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