Bittersüße Nacht - McLeod, S: Bittersüße Nacht - The Bitter Seed of Magic
ließ das Buch fallen. Ich hatte es zwar gesalzen, und die Magie schien erschöpft zu sein, aber es war wahrscheinlich trotzdem keine gute Idee, es länger in der Hand zu halten. »Aber jemand hat es mir geschickt«, sagte ich, »und mir obendrein einen Besuch abgestattet.«
»Wie hat diesse Person aussgessehen?«
»Grün, faltig, fast zahnlos und ziemlich freigiebig mit kryptischen Drohungen.«
»He, das klingt ja fast nach einer Bean Nighe , findest du nicht auch, Libby?«
Ich warf einen Blick hinunter auf meine blutbesudelten Jeans. Eine Bean Nighe ? Ich schien das Pech ja geradezu anzuziehen.
»Eine Wäscherin? Warum ssollte eine Todessbringerin Sssie besuchen wollen, Sssidhe?«
Die Antwort darauf wollte ich lieber gar nicht wissen. »Sie hatte ein Armband mit goldenen Schlüsselchen dran, falls euch das was sagt?«
»Aah … dann war das die Phantomkönigin«, sagte die Bibliothekarin beinahe ehrfürchtig. »Sssie erscheint oft in diesser Gesstalt.«
Diesen Namen hatte ich doch schon mal gehört.
»Aber ich dachte, Clíona hätte sie vor Jahren gefangen und eingesperrt, Libby?«, fragte Sylvia stirnrunzelnd ihr iPhone.
»Sselbst eine Sssidhe-Königin kann eine Göttin nicht lange fessthalten. Vielleicht ist ssie entkommen, oder Clíona hat nachgegeben, oder vielleicht hat sssie sich ja mit der Terrorgöttin irgendwie geeinigt.«
Da fiel bei mir der Groschen. »Wir reden doch nicht etwa über die Morrígan, oder? Die Göttin der Prophezeiung, des Kriegs und des Todes?«
»Sssie ist aber auch Anu, die Göttin der Herrschaft, desss Wohlsstandss und der Fruchtbarkeit«, lispelte die Bibliothekarin mit unüberhörbarer Genugtuung.
War ja klar, dass sie auch die Göttin der Fruchtbarkeit sein musste – darum drehte sich ja zurzeit alles in meinem Leben. Auch schien mir, dass ich, nun, da nicht nur eine, sondern gleich zwei Göttinnen ein ungesundes Interesse an mir entwickelt hatten, meinen ganzen Glücksvorrat für die nächsten zehn Jahre aufgebraucht hatte.
»He, das stimmt ja«, sagte Sylvia und grinste mich begeistert an, »hat sie dir eine von ihren Prophezeiungen gezeigt? Hat es was mit dem Fluch zu tun? Jetzt sag schon!«
Ihnen davon zu erzählen war vielleicht keine so schlechte Idee, vielleicht konnten sie mir ja einige Dinge erklären, aber die Rosemarys-Baby-Show war mir noch so lebhaft im Gedächtnis – auch wenn es nur eine Illusion gewesen war –, dass ich im Moment einfach noch nicht darüber reden konnte. Ich wollte erst einmal in Ruhe über alles nachdenken. Und dann war da noch die Tatsache, dass mir die Morrígan ausgerechnet als Bean Nighe erschienen war. Die Bean Nighe gehören zu den Schwarzen Fae, es sind Wechselbälger, deren Mütter bei der Geburt gestorben und deren Seelen verloren sind. Unwillkürlich fiel mir Ana ein, Victoria Harriers schwangere Schwiegertochter. Ob es nun an dem bitteren Kuss lag, den die Morrígan mir – mit wer weiß welchen Folgen – gegeben hatte, oder ob es nur ein Zufall war, aber über Anas Bild schwebte in meiner Vorstellung ein blinkendes Neonschild mit der Aufschrift: Opfer hier!
Zahlreiche Fragen gingen mir durch den Kopf.
Ich schaute Sylvia und ihr Handy an. Die Bibliothekarin wusste bekanntermaßen so gut wie alles. Und Bäume waren, wie ebenfalls jeder wusste, die schlimmsten Gossip Girls, die es gab.
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16. K apitel
B evor ich was sage«, begann ich, »möchte ich erst mal wissen, ob euch ein Wasser-Faeling namens Ana bekannt ist?« Als mich Sylvia daraufhin verständnislos anstarrte, fügte ich hinzu: »Sie ist mit einem Zauberer verheiratet.«
»Ach, du meinst Annan.« Sylvia rückte ihren wackelnden Fahrradhelm zurecht.
»Warum fragen Sie?«, erkundigte sich die Bibliothekarin.
»Jemand hat sie mir gegenüber erwähnt, und ich fand es seltsam, dass sie mit einem Zauberer verheiratet ist. Hexen und Zauberer sind doch geradezu fanatisch, wenn’s um die Reinhaltung ihrer Erblinie geht.«
»Annan ist die Urenkelin von Königin Clíona. Der Zauberer hat sie nur wegen ihrer königlichen Abstammung geheiratet.«
Wow, Clìonas Nachkommen schienen ja überall aus dem Boden zu wachsen. Was wohl kaum ein Zufall sein konnte. Oder überraschend, angesichts der Tatsache, dass ich gleich zwei Göttinnen im Nacken hatte.
Ein zarter Glockenton ging dem plötzlichen Erscheinen einer gelblichen Pergamentrolle voran. Sie blieb zwischen Sylvia und mir in der Luft schweben. Auch stank es plötzlich scharf nach Holzrauch. Das rote
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