Bittersueße Sehnsucht
Sekunde wich sie einem Gepäckwagen aus und blickte starr ins Leere. Wie sollte sie Jasper in die Augen sehen und ihn belügen?
“Dixie!” Zum vierten Mal kam Cesar auf sie zu, umfasste ihre Schultern und drehte sie in die richtige Richtung.
“Accidenti! Haben Sie gar nicht gemerkt, dass Sie mich verloren haben?”
“Nein…”
Draußen nötigte er sie sichtlich entnervt in die dort wartende Limousine, an deren Steuer ebenfalls ein Chauffeur saß. Dann legte er ihr den Sicherheitsgurt an. “Bleiben Sie sitzen … und rühren Sie sich nicht von der Stelle.”
Verwirrt sah Dixie zu ihm auf. “Wohin sollte ich denn gehen?”
“Und machen Sie nicht so eine Jammermiene! Ich verbiete Ihnen, sich den Kopf über Scott zu zermartern.” Grimmig betrachtete er sie. “Sie haben eine Rolle zu spielen. Ich erwarte zwar keine oscarreife Darbietung, aber wenigstens, dass Sie glücklich aussehen. Und damit niemand Verdacht schöpft, sollten wir uns von jetzt an duzen.”
“Ich habe mir nicht den Kopf über Scott zermartert. Ich habe daran gedacht, dass ich Jasper belügen muss …”
“Überlass das Lügen mir.”
“Ja, so gut wie Sie … wie du werde ich niemals lügen können”, erwiderte sie nachdenklich.
“Ich weiß nicht, warum ich dich nicht längst erwürgt habe”, erklärte er mühsam beherrscht.
“Wie können Sie … kannst du so etwas sagen?”
“Willst du das wirklich wissen?” Cesar hatte die Hände zu Fäusten geballt und öffnete sie langsam wieder. “Erstens kannst du dich auf nichts konzentrieren. Zweitens bist du völlig kopflos durchs Flughafengebäude gerannt. Drittens benimmst du dich immer noch wie eine Aushilfe. Wann willst du dich endlich in die Rolle meiner Verlobten hineinfinden? Viertens … bist du psychisch labil…”
“L… labil?” wiederholte Dixie mit bebender Stimme.
“Entweder bist du völlig euphorisch oder kurz davor, in Tränen auszubrechen. Das ist doch nicht normal.”
“Mein Leben war in letzter Zeit ja auch alles andere als normal”, brachte sie hervor.
“Und fünftens mag ich es nicht, wenn man mich ignoriert.”
Wie ein verwöhntes Kind, das immer im Mittelpunkt stehen muss, war ihr erster Gedanke.
“Ich habe Sie … dich nicht ignoriert. Ich dachte, es wäre dir lieber, wenn ich mich zurückhalte.”
“Wenn du dich zurückhältst?” wiederholte Cesar ungläubig.
Dixie errötete und faltete krampfhaft die Hände im Schoß.
“Du hast so viele Marotten …”
“Marotten?” wiederholte er heiser.
“Du bist nicht besonders gesellig. Und sich einfach mal zu amüsieren ist unter deiner Würde. Du bist immer so furchtbar ernst. Das nervt.”
“Du nervst mich auch”, sagte er nach einer Weile.
Unwillkürlich begegnete sie seinem Blick. Im Sonnenlicht, das in den Wagen fiel, funkelten seine Augen silbrig. Ihr Herz setzte einen Schlag aus, und verwirrt wandte sie sich wieder ab.
Doch vor ihrem geistigen Auge sah sie den viel zu klugen kleinen Jungen vor sich, den Jasper ihr einmal so traurig beschrieben hatte. Bereits im Alter von fünf Jahren war Cesar ein Zyniker gewesen und hatte keinem Erwachsenen getraut.
Er war das ebenso hübsche wie unerwünschte Ergebnis einer übereilt geschlossenen Ehe gewesen, und seine Eltern hatten sich noch vor seiner Geburt getrennt. Sein Vater, ein Playboy, hatte von seiner jungen Frau verlangt, einen
Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu lassen, und sich anschließend vor der Verantwortung gedrückt. Er hatte lediglich Unterhalt gezahlt.
Magdalena hatte schon bald festgestellt, dass sie mit der Mutterrolle überfordert war, und Cesar meist der Obhut ständig wechselnder Kindermädchen überlassen. Später hatte sie ihn ins Internat gesteckt und ihn nicht einmal in den Ferien zu sich nach Hause genommen.
“Magdalena war sehr unreif. Ihre Eltern waren tot, und deswegen bekam sie von niemandem Unterstützung. Sie war im Grunde nicht schlecht, aber hoffnungslos egoistisch”, hatte Jasper seufzend erzählt. “Ständig hat sie Cesar versprochen, ihn im Internat zu besuchen, und ihn immer wieder enttäuscht. Einer seiner Stiefväter hat sie eine Zeit lang angehalten, sich mehr um ihn zu kümmern, aber er ist bald wieder von der Bildfläche verschwunden.”
Kein Wunder, dass Cesar so ein Einzelgänger ist, dachte Dixie, die ihre Äußerungen bereits bedauerte. Sie war ungerecht und unhöflich gewesen. Er konnte schließlich nichts dafür, dass er so war. Als Jasper die Vormundschaft für ihn übernommen
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