Bittersuesser Verrat
brachte mich an seinem ersten Tag in der Stadt um.««
»Wow. Das ist echt übel. Aber damals bist du nicht zu einem Vampir geworden, richtig?«
»Nein. Ich bin gestorben. Irgendwie jedenfalls. Ich erinnere mich daran, dass ich starb, und dann... dann kam die nächste Nacht und ich konnte mich nicht daran erinnern, was dazwischen gewesen war. Es ging mir gut. Keine Löcher im Hals, nichts. Ich dachte, vielleicht hatte ich das alles nur geträumt, aber dann... dann habe ich versucht, das Haus zu verlassen.«
»Was ist passiert?«
»Ich löste mich einfach auf. Wie Rauch. Ich ging schnell wieder rein, bevor es zu spät war, aber nach ein paar weiteren Versuchen wurde mir klar, dass ich nicht weggehen konnte. Egal durch welche Tür oder auf welche Weise ich es versuchte, Ich... hörte einfach auf, ich zu sein.« Michael sah jetzt gequält aus und Claire sah, wie ihn ein Schauder durchlief. »Das war schlimm genug, aber dann kam der Morgen.«
»Und was passierte dann?«
»Ich starb«, sagte Michael. »Noch mal ganz von vorne. Und es tat weh.«
Claire schaltete aus. Es fühlte sich nicht richtig an, das zu hören, zu sehen, wie er so komplett die Deckung fallen ließ. Michael hatte irgendwie immer versucht, alles in Ordnung zu bringen. Sie hatte nicht gewusst, wie sehr ihm das alles Angst gemacht hatte. Und sie wollte eigentlich gar nicht so genau wissen, wie es sich angefühlt hatte, sich von Amelie in einen echten Vampir verwandeln zu lassen, um wieder ein Leben außerhalb des Hauses zu haben.
Sie wusste schon jetzt zu viel.
In dem Ordner waren ungefähr zwanzig weitere Video-Interviews, aber eines veranlasste Claire, zu zögern und dann mit einem Doppelklick zu öffnen.
Die Kamera zoomte heran, stellte scharf und die Lichter gingen an. »Bitte geben Sie Ihren Namen an, das Datum, an dem Sie ein Vampir wurden, Ihren Geburtsort und Ihr Sterbealter.«
Es war Kims Stimme, aber dieses Mal klang sie nervös, gar nicht mehr so besserwisserisch, wie Claire sie kannte. »Bitte.«
Oliver lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Er sah aus, als wäre ihm ein übler Geruch in die Nase gestiegen. Dann sagte er: »Oliver. Meinen Familiennamen werde ich für mich behalten, wenn es dir nichts ausmacht. Ich wurde 1658 zu einem Vampir gemacht. Geboren wurde ich 1599 in Huntington, Cambridgeshire, East Anglia, England. Du siehst also, ich war nicht mehr jung, als ich verwandelt wurde.«
»War es Ihre eigene Entscheidung?«
Oliver schaute an der Kamera vorbei und sah Kim an - so lange, dass sogar Claire nervös wurde. Dann sagte er: »Ja. Ich lag im Sterben. Es war meine einzige Chance, die Macht zu erhalten, die ich bis dahin erlangt hatte. Das Tückische daran war jedoch: Sobald ich mich auf diesen Teufelspakt eingelassen hatte, verlor ich die Macht, die ich hatte behalten wollen. So gewann ich zwar ein neues Leben, verlor aber mein altes.«
»Wer hat Sie zum Vampir gemacht?«
»Bishop.«
»Ah... möchten Sie irgendetwas über Bishop sagen...?«
»Nein.« Plötzlich stand Oliver auf, in seinem Blick lag Feuer. Er riss das Mikrofon ab, das jetzt heftig rauschte. »Ich habe die Nase voll davon, weiter in der Vergangenheit herumzustochern. Vergangenheit ist Vergangenheit. Lass sie sterben.«
Kim erwiderte sehr ruhig: »Aber Sie haben ihn umgebracht. Nicht wahr? Sie und Amelie?«
Olivers Augen wurden rot. »Du weißt nichts darüber, du kleines Mädchen mit deinen dummen Spielzeugen. Und bete zu Gott, dass du nie etwas darüber erfährst.«
Oliver warf die Kamera um. Kim schrie auf und das war es dann.
Der Bildschirm wurde schwarz.
»Amüsierst du dich?«, fragte Olivers Stimme. Einen Augenblick lang dachte Claire, sie käme vom Computerbildschirm, aber dann wurde ihr klar, dass sie von irgendwo hinter ihr herkam. Sie drehte langsam den Kopf und sah, dass Oliver neben der Tür an der Wand lehnte. Er trug ein T-Shirt mit dem Common-Grounds-Logo und eine Cargohose und sah überhaupt nicht aus wie ein fünfhundert Jahre alter Vampir. In einem Ohr hatte er sogar einen Ohrring mit dem Peace-Zeichen.
»Ich... ich wollte mich nur über dieses Geschichtsprojekt mit den Interviews informieren, das ist alles. Tut mir leid.« Claire klickte das Interview weg und stand auf. »Werden Sie wieder versuchen, mich umzubringen?«
»Warum fragst du? Möchtest du darauf vorbereitet sein?« Er legte den Kopf schief und sah sie an.
»Ich möchte nur wissen, was auf mich zukommt.«
Das brachte ihr ein dünnes Lächeln ein. »Nicht alle von
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