Bittersuesser Verrat
versucht, sie zu finden, wir sollten zusammen... jedenfalls ist sie nicht aufgetaucht, ich habe mir echt Sorgen gemacht, ich bin fast zu spät gekommen, konnte sie aber nicht finden. Sie geht auch nicht ans Handy.«
»Kim«, sagte Oliver. »Valerie besitzt ihren Vertrag, ihre Unzuverlässigkeit ist vor allem Valeries Problem.« Er schien darüber nicht besonders besorgt zu sein. Claire vermutete, dass sich Kim auch dort keine Freunde gemacht hatte.
»Wir müssen die Polizei verständigen und sagen, dass sie nach ihr Ausschau halten sollen.«
»Nein.«
»Nein?«
»Kim hat eine Schutzherrin, die für sie verantwortlich ist«, wiederholte er. »Ich werde keine städtischen Einsatzkräfte hinzuziehen, die ihre Zeit damit verplempern, hinter jemandem herzujagen, der aller Wahrscheinlichkeit nach auf die eine oder andere Weise Opfer seiner eigenen Torheit geworden ist.«
»Moment mal. Laut den Gesetzen von Morganville hat sie Rechte«, warf Claire ein. »Ob sie einen Vampirbeschützer hat oder nicht - sie ist immer noch eine Einwohnerin der Stadt. Sie können sie nicht einfach im Stich lassen!«
»Doch, kann ich«, erwiderte Oliver. »Von mir wird weder verlangt zu helfen noch zu schaden. Kim Magness geht mich nichts an und auch keinen anderen Vampir außer Valerie. Sie werde ich natürlich zu gegebener Zeit benachrichtigen. Wenn ihr unbedingt wollt, könnt ihr Chief Moses anrufen und die Situation erklären. Ihr und dem Bürgermeister obliegt die Rechtsprechung der Menschen. Aber ehrlich gesagt bezweifle ich, dass ein Mensch, der bekanntermaßen labil ist und erst seit ein paar Stunden vermisst wird, oberste Priorität haben wird.« Damit war für ihn die ganze Sache gegessen und er ging wieder die Stufen hinauf. Als er die Bühne erreicht hatte, war er schon wieder in seine milde, sanftmütige Rolle geschlüpft.
Das war echt abgefahren »Mistkerl«, zischte Eve durch ihre zusammengebissenen Zähne hindurch.
»Komm schon, wir brauchen ihn nicht«, sagte Michael. »Wohin gehen wir zuerst?«
Eve holte tief Luft. »Am besten wohl in ihre Wohnung.« Sie warf Claire einen beinahe entschuldigenden Blick zu. »Tut mir leid. Ich weiß, dass es zwischen euch beiden nicht gerade, ähm, gefunkt hat, aber...«
»Ich helfe euch«, sagte Claire. Sie tat es nicht Kim, sondern Eve zuliebe. Eve umarmte sie kurz. »Soll ich Shane anrufen?«
»Würdest du das tun?« Eves Augen waren jetzt groß und mitleiderregend - wie bei einem Welpen. »Wir brauchen jede Hilfe, die wir kriegen können - ich mache mir wirklich Sorgen, Claire. Das sieht Kim nicht ähnlich. Überhaupt nicht.«
Claire nickte, zog ihr Handy heraus und wählte Shanes Nummer. Es brauchte nicht viel Überredungskunst, bis er seinem Boss zurief, dass er gehen müsse - Notfall in der Familie. Claire erklärte ihm, dass sie ihn abholen würden.
Als sie auflegte, waren sie schon auf dem Weg nach unten in die verdunkelte Tiefgarage. »Ich kann nicht glauben, dass ich das getan habe«, sagte Eve. »Ich hab grad meine einzige Chance vertan, bei diesem Stück mitzumachen. Er wird mich ersetzen. Ich werde niemals wieder eine Rolle bekommen. Mein Leben ist vorbei.«
»Alles wegen Kim«, fügte Claire hinzu. »Du bist wirklich eine gute Freundin.«
Eve sah trotzdem elend aus. »Nicht gut genug, sonst wäre sie jetzt hier, oder?«
»Das ist absolut nicht deine Schuld.«
Eve zog die Augenbrauen nach oben. »Was wäre, wenn ich vermisst würde? Würdet ihr euch dann nicht auch irgendwie schuldig fühlen?«
Das brachte Claire zum Schweigen, denn sie würde sich schuldig fühlen, das wusste sie. Selbst wenn sie gar nichts damit zu tun hätte, würde sie das Gefühl haben, dass sie etwas hätte tun sollen.
Sie dachte immer noch darüber nach, als sie das Prickeln verspürte, das ihr sagte, dass in der Nähe ein Portal aufgegangen war. Sämtliche Alarmglocken begannen, in Claire zu schrillen. Sie schnappte sich ihr Handy, um einen Blick auf die Ortungs-App zu werfen, die sie vor Kurzem hochgeladen hatte. Ja. Ein ungeplantes Portal wurde aufgezwungen, gleich hier in den Schatten, etwa drei oder vier Meter entfernt.
»Schnell ins Auto!«, schrie sie und stürzte auf den Wagen zu. Eve fragte Gott sei Dank nicht, warum; sie stürmte ihr hinterher. Michael war vor ihnen und sprang auf den Fahrersitz.
Eine Flut von Spinnen strömte aus dem Portal und huschte über den Betonboden - sie prallten auf den Boden, als wären sie aus einem riesigen Eimer ausgeschüttet worden.
Tausende
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