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Bittersuesser Verrat

Bittersuesser Verrat

Titel: Bittersuesser Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Caine
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Nachts stieg der Angst-Level ins Unermessliche.
    Sie wusste, dass sie in German's Reifenfabrik waren, weil die Tasche mit den Waffen, die Shane mitgebracht hatte, Taschenlampen enthielt und eines der ersten Dinge, die Claire damit anleuchtete, war das gruselige Graffito eines Clownsgesichts, das irgendjemand um eine Tür gesprüht hatte, die aussah, wie ein großer, offener Schlund. Sie würde dieses dumme Clownsgesicht nie vergessen. Niemals.
    »Oh, Mann«, hauchte Shane. Auch ihm gefiel dieser Ort nicht so besonders.
    »Stell dich nicht so an«, sagte Eve. »Wenigstens warst du hier nicht in einen Gefrierschrank eingeschlossen wie das Mittagessen für den kommenden Monat. Ich schon.«
    Myrnin, der im Schein der Taschenlampe bläulich weiß aussah, wirkte gekränkt. »Ich habe dich dort eingeschlossen, um dich zu beschützen, junge Dame. Wenn ich vorgehabt hätte, dich zu fressen, dann hätte ich das getan.«
    »Das tröstet mich jetzt«, erwiderte Eve. Und dann, etwas leiser: »Oder auch nicht.«
    »Da lang.« Myrnin schirmte seine Augen gegen ihre Taschenlampen ab und bahnte sich seinen Weg um einen schwankenden Stapel leerer Bierdosen herum - die von abenteuerlustigen Highschoolschülern zurückgelassen worden waren - und zwischen einer zerrissenen Matratze und ein paar leeren Kisten hindurch. »Jemand war hier.«
    »Ach nee!«
    »Ich meine vor Kurzem«, sagte er. »Keine Menschen. Vampire. Viele Vampire.« Er klang ein wenig erstaunt. »Keine von meinen Kreaturen. Sie sind alle gestorben, weißt du? Die, die ich verwandelt habe.«
    Früher, in seinen verrückten (noch verrückteren?) Tagen, hatte Myrnin mit einigen unglückseligen Opfern experimentiert und versucht, sie in Vampire zu verwandeln. Diese Versuche waren gescheitert, weil ihn seine Krankheit immer mehr beeinträchtigt hatte. Die Ergebnisse waren alles andere als schön gewesen - eher Zombies als Vampire, hatten diese Kreaturen nichts anderes im Kopf als zu töten. Claire fragte sich, wie sie wohl gestorben waren, und beschloss dann, dass sie das gar nicht so genau wissen wollte. Myrnin war Wissenschaftler. Er war daran gewöhnt, Labortiere am Ende eines Tests einzuschläfern.
    »Hängen diese Vampire jetzt noch irgendwo hier herum?«, fragte Shane. Er hatte einen Pfahl in der linken Hand und ein mit Silber überzogenes Messer in der rechten - es war ein Steakmesser, das er mithilfe einer Autobatterie und einem Aquarium voll Chemikalien galvanisiert hatte. Es hatte zwar furchtbar gestunken, war aber billig und wirkungsvoll. »Eine Vorwarnung wäre nämlich ganz schön.«
    »Nein. Sie sind weg.« Myrnin zögerte jedoch immer noch. »Ich frage mich...«
    »Fragen Sie sich später. Los jetzt«, sagte Eve. Sie klang nervös und ließ das Licht ihrer Taschenlampe ziellos umherschweifen, wobei sie auf jedes Rascheln in der Dunkelheit reagierte. Und davon gab es viel. Ratten, Vögel, Fledermäuse.. die Fabrik steckte voller Leben. Claire richtete ihre Taschenlampe auf den Weg vor sich, wobei sie sicherstellte, dass sie nicht stolperte oder sich an hervorstehenden rostigen Metallstücken schnitt. Myrnin ging voraus. Hinter sich spürte sie Shanes Wärme, was sich gut anfühlte. Ebenso gut wie das Gewicht der Wasser-Pumpgun in ihren Armen.
    Myrnin warf krachend eine Metalltür auf, indem er das Schloss zertrümmerte und die Glieder der großen Kette verstreute, durch die die Tür an der vernarbten Betonaußenwand verankert war. »Hier«, sagte er und deutete auf etwas, während sie sich um ihn scharten. Die Wolken lockerten etwas auf, sodass ein wenig diffuses Mondlicht kühle blaue und silbrige Muster auf den Boden malte. Ungefähr eineinhalb Kilometer entfernt ragten ein Betonklotz und ein hoher Turm wie ein Skelett in den Himmel. In großen weißen Buchstaben stand »KVV« an dem Turm - eines der V war längst verschwunden, ein anderes neigte sich wie ein Betrunkener zur Seite und war nicht mehr weit davon entfernt, vollends herunterzufallen und sich zu seinem fehlenden Kameraden zu gesellen. Das Gebäude wirkte verlassen. Der Wind fegte über die flache Landschaft, peitschte den Staub auf, blies Müll herum und verursachte ein geisterhaftes pfeifendes Geräusch im Metall des Turms.
    »Ich sehe Michaels Auto nicht.«
    »Es gibt nur einen Weg, wirklich sicher zu sein«, sagte Myrnin. »Gehen wir.«
    ***
    Je näher sie dem Gebäude kamen, desto unheimlicher wirkte es. Claire war kein Fan von verfallenden Industriegebäuden, aber Morganville war voll davon -

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