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Bittersüßes 7. Jahr

Bittersüßes 7. Jahr

Titel: Bittersüßes 7. Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Gedanken ihn werden ließen.
    Die andere Tür krachte zu. Peter ließ den Wagen an und raste dann auf die Chaussee Düsseldorf entgegen. Er hatte das Kinn vorgeschoben, die Finger um das Steuerrad verkrampft, den Blick starr auf die Straße gerichtet.
    Sabine wurde es angst, wenn sie zur Seite auf die wegrasenden Bäume blickte.
    »Der Weltrekord liegt bei ungefähr 600 km in der Stunde«, sagte sie burschikos. Es kostete sie eine ungeheure Anstrengung. Peter nickte. Er trat das Gaspedal bis zum Anschlag und ließ den Fuß so stehen. Der Motor heulte. Sabine umklammerte die Fensterkurbel.
    »Gleich kommt eine Kurve, Peter.«
    Ehe sie weitersprechen konnten, waren sie schon hindurch, schleudernd, pfeifend, heulend, aber es war gelungen.
    Von da ab sprachen sie nicht mehr. Um zu zeigen, wie gleichgültig ihr die Raserei sei, stellte sie das Radio an. Tanzmusik. Mit zitternden Lippen pfiff sie mit. Sie sah hinaus auf die Straße, sie schloß die Augen, wenn eine Kurve kam oder ein anderer Wagen ihnen entgegenflog wie eine Granate. Jetzt, dachte sie, jetzt. Aber es krachte nicht. Der Wagen fuhr weiter, Peter starrte weiter geradeaus, mit einem Gesicht, das wie Stein war.
    Als sie vor dem Düsseldorfer Hauptbahnhof hielten, sah Sabine auf die Uhr. Sie wollte nicht den Rekord messen, sondern sehen, wieviel Zeit ihr bis zum Abgang des Zuges blieb. Noch 17 Minuten. Da blieb sie sitzen. Fünf Minuten ausruhen, dachte sie. Wenn ich jetzt aussteige, schwanke ich wie eine Betrunkene. Meine Beine sind wie Pudding. Vielleicht kann ich gar nicht gehen, so sitzt mir der Schreck in den Gelenken.
    Peter Sacher sah sie von der Seite an. Er hatte sich eine Zigarette angesteckt.
    »Na? Wollen wir nicht?«
    »Doch!«
    »Wir sind da!«
    »Ich sehe es mit Beglückung.«
    Das war wieder eine Frechheit. Peter rauchte hastig. Selbst die Raserei kriegt sie nicht klein. So gewaltig ist der Trieb, von mir weg in dieses Doppelzimmer zu kommen, daß nichts mehr sie erschüttern kann!
    Er stieg aus und riß auf ihrer Seite die Tür auf.
    »Bitte!« sagte er steif wie ein Herrschaftschauffeur. Es fehlte nur noch die kleine Verbeugung und das Ziehen der Mütze. Sabine kletterte aus dem Wagen. Es ging besser, als sie geglaubt hatte. Die Beine zitterten nicht. Sie nahm ihre Koffer vom Rücksitz, stellte sie auf den Bürgersteig und reichte Peter die Hand entgegen.
    »Also denn – bis zum 28. August!«
    »Bis zum 28. August!« Er nahm ihre Hand und führte sie an die Lippen. Plötzlich kam er sich wie verlassen vor. Wie ausgestoßen. Das Pfeifen der Züge in der Bahnhofshalle gellte in seinen Ohren, als zerplatze mit ihm sein Kopf. »Erhole dich gut, Bienchen«, sagte er stockend. »Werde schön braun, aber lieg nicht zuviel in der Sonne. Und viel, viel Freude. Ich, ich gönne sie dir. Du hast in der letzten Zeit so wenig gelacht.«
    Sabine schluckte. Mein Gott, sprach sie sich zu. Nicht weich werden, nicht zeigen, daß man losheulen könnte. Mach das Kreuz hohl und sieh an ihm vorbei.
    »Du auch, Peter!« sagte sie grober, als sie wollte.
    »Ich werde in Paris in die Schule gehen.«
    Biest! Er ist wirklich nicht wert, daß man ihn liebt!
    »Wenn das Lehrgeld nicht zu teuer ist«, sagte sie giftig. »Ich werde mich auch nach Rezepten umsehen.«
    Welch ein Luder, dachte Peter. Sein Gesicht wurde steinern. »Adieu!« Er stieg wieder in seinen Wagen und ließ Sabine neben den Koffern stehen. Überall standen ja Dienstmänner herum. Vielleicht wartete in der Halle schon der gelackte Affe, der das Doppelzimmer … Er wollte wieder aus dem Wagen springen, aber dann beherrschte er sich und ließ den Motor an. Sabine klopfte mit dem Knöchel des Zeigefingers an die Scheibe.
    »Du«, sagte sie. »Wenn du mich sprechen willst, wenn du mir etwas schreiben willst, es ist ja möglich, daß du etwas sagen willst, nicht wahr, Düsseldorf, postlagernd. Postauftragsdienst. Sie haben meine Adresse. Hörst du, Peter. Vergiß es nicht, wenn du etwas zu sagen hast.«
    Er nickte und fuhr an. Im Rückspiegel sah er, wie Sabine ihm nachwinkte. Inmitten der weißen Koffer stand sie, allein am Straßenrand. Das orangefarbene Kostüm leuchtete in der Sonne. Sie sah hübsch aus, schlank, sogar jung.
    Die Vorfreude verjüngt sie, dachte Peter gehässig. Bei mir war sie immer ein welkes Mauerblümchen. Das war nicht wahr und auch ungerecht, aber welcher Wütende hat dafür ein Gefühl?
    Er fuhr um die Straßenbahnhalbinsel herum und auf der anderen Seite zurück, am Bahnhof vorbei.

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