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Bittersüßes 7. Jahr

Bittersüßes 7. Jahr

Titel: Bittersüßes 7. Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Ganz langsam. Er sah, wie Sabine einen Gepäckträger herangewinkt hatte, wie sie ihm folgte, mit kleinen, schnellen Schritten. Auf hohen Absätzen mit weißer Tasche und wippenden Hüften. Einige Männer blieben stehen, drehten sich um und sahen ihr wohlgefällig nach.
    »Ihr Böcke!« brüllte Peter in seinem Wagen.
    Dann trat er auf das Gas und raste die Graf-Adolf-Straße hinunter. Es war wie eine Flucht, denn er hatte in diesen Augenblicken das dringende Bedürfnis, Sabine aus dem Bahnhof zurückzuholen, in seinen Wagen zu reißen und zu sagen:
    »Bleib! Bitte, bitte bleib! Ich bin ein Esel.«
    Die Flucht kostete Peter Sacher drei Strafmandate wegen Überfahren der Höchstgeschwindigkeit.

ZWEITES KAPITEL
    Es gibt Städte, die man nie vergißt.
    Es gibt Schönheiten, die keine Lippe beschreiben kann.
    Es gibt Ewigkeiten in der Gegenwart.
    Sie schwingen in Paris.
    Wer einmal über die breiten Boulevards gegangen ist, wer den Schwalben im Jardin du Luxembourg zusah, wer am Arc de Triomphe stand und vom Place d'Etoile hinabblickte auf die Champs-Elysées, der kann nicht vergessen, wie sein Herz schneller schlug und ein Hauch von Unsterblichkeit ihn mit leichtem Schauer umwehte.
    Im Dunst des Morgens stößt die Spitze des Tour d'Eiffel in den Himmel, die Seine mit ihren hundert gebogenen Brücken, als sei sie der Brustkorb von Paris, plätschert an die Quader-Quais, auf denen unentwegt die Angler stehen, während unter den Brückenbögen die Bettler von ihrem Decken- und Zeitungslager kriechen.
    Von der Seine-Insel dröhnen die hellen Schläge der Notre-Dame, und die Karren der Bücherhändler werden in die Morgensonne geschoben. Am Montmartre, am Boulevard de Clichy, stellen die Maler ihre Werke an die Häuserwände, rücken die Baskenmützen in den Nacken und drehen sich in der Tasche eine Zigarette aus schwarzem Tabak. Aus den dumpfen Häusern und Hinterhöfen von La Chapelle und La Vilette quellen die Heere der Ladenmädchen, Midinetten und Kellnerinnen und trippeln zu der Metro, die sie hineinträgt in den erwachenden Giganten aus Stein, Glas und Liebe.
    Die ersten Milchwagen rattern durch die Straßen. Die Sonnendächer der Modehäuser und Juweliere leuchten in grellen Farben in der Sonne. Die roten Laternen in den Eingängen mancher Häuser der Querstraßen verblassen und erlöschen. Auf dem Cimetière du Père-Lachaise sitzen die Bildhauer und meißeln an neuen Totenmalen. Am Hufeisensee des Parc des Buttes Chaumont drängen sich Maler und werfen kühne Studien in die Zeichenblocks, die sie für ein paar Francs verkaufen werden, um nicht zu verhungern. Aus dem Bois de Boulogne, aus den grünen Ufern des Lac Inférieur hervor kommen die letzten Liebespaare der warmen Sommernacht, noch trunken vom Zauber eines nach Blüten duftenden Paris.
    Peter Sacher blickte auf seine Uhr.
    Sieben Uhr zehn. Er war die Nacht hindurch gefahren, weil er nicht schlafen konnte. Der Gedanke, daß Sabine seit zwei Tagen in einem Doppelzimmer schlief, hatte ihn so zermürbt, daß er sich in seinen Wagen flüchtete und durch die Nacht schlich, das Radio mit vollster Lautstärke und einem Aschenbecher, der überquoll.
    Jetzt stand er vor dem Gare du Nord und schüttelte den Kopf. Natürlich war Heinz v. Kletow nicht da … er hatte ja geschrieben, daß er mit dem Zug in Paris eintreffen würde. Von einer Autoreise war nie die Rede. Heinz würde also noch im Bett liegen, der Erwartung Peters wegen allein, und es war bestimmt eine Freude, ihn zu überraschen.
    Peter Sacher entfaltete den Stadtplan von Paris und studierte die Straßen.
    Rue de Sèvres. Sie lag jenseits der Seine als Kreuzung des Boulevard des Invalides. Wie sich Heinz v. Kletow eine solch luxuriöse Wohnung leisten konnte, war ein Rätsel. Das ganze Leben Kletows war ein Rätsel. Er hatte nie gearbeitet und besaß doch immer Geld. Er war ein Genie der Improvisation, aber vor korrekten Dingen zuckte er zurück wie vor Hochspannungsleitungen. Er hatte Schulden, und keiner nahm sie ihm übel. Sie gehörten zu seinem Typ. Keine Schulden zu haben war für ihn wie eine Krankheit. Sein Leben war ein einziger Kredit.
    Peter Sacher faltete den Stadtplan wieder zusammen, stieg in seinen Wagen und fuhr langsam durch das erwachende Paris. Auf der Place de la Concorde, am Rande des Jardin des Tuileries, saßen schon die ersten Müßiggänger auf den Bänken in der Sonne und beobachteten das Morgengezänk der Spatzen. Zum Quai d'Orsay hin rollten die schweren Wagen der Regierung.

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