Bittersüßes 7. Jahr
Herrn sah, der zu ihr sagte, er sei ein Arzt. Er hatte ihr väterlich-gütig zugesprochen, dann hatte sie einen kleinen Stich in der Armbeuge gespürt, und von da ab kam ein Dämmern über sie, das überfloß in einen herrlichen Traum.
Zwei fröhliche Menschen tollten am Meer. Sie warfen sich jauchzend in die schäumenden Wellen, ihre braunen Körper glänzten in der Sonne. Es war ein herrlicher Traum, denn beide glücklichen Menschen waren Peter und Sabine.
Geweckt wurde Sabine durch ein eintöniges Schaukeln und das Klatschen von Wasser gegen eine Wand. Als sie die Augen aufschlug, nahm sie erst nur ein fremdes Zimmer wahr. Die Erinnerung kam langsam zurück, aber dann, als sie ihre Umgebung erkannte, sprang sie mit einem spitzen Schrei auf.
Eine Kajüte, ein auf hoher See fahrendes Schiff, Nacht!
»Hilfe!« schrie sie. »Hilfe!«
Ferro-Bornemeyer, der unter dem Bullauge eingenickt war, schoß empor. Er erreichte Sabine gerade noch, bevor sie die Tür der Kajüte aufgerissen hatte, und hielt sie zurück.
»Favorita!« rief er.
Sabine wirbelte herum. »Ha!« schrie sie. »Wo sind wir? Was soll das? Sind Sie total verrückt geworden?«
Ferro führte sie zu einem Sessel zurück und drückte sie hinein.
»Es ist gar nichts passiert«, sagte er beruhigend. »Bitte, schreien Sie nicht, Madonna. Ich habe Sie bloß entführt.«
»Was, was haben Sie?« stammelte Sabine. »Sind Sie völlig übergeschnappt?«
»Wir mußten an diesem Abend noch die Insel verlassen! Ich mußte fort nach Nizza! Aber ohne Sie, Favorita! Nie! Sie schliefen so fest nach der Injektion, da habe ich Sie, wie einst Cleopatra, in eine Decke gehüllt aus dem Hotel und aufs Schiff geschmuggelt.« Er griff in die Tasche und holte zwei Fahrkarten heraus. »Es ist für alles gesorgt, auch für den eingetretenen Fall, daß Sie vorzeitig aufwachen.«
»Sie Wahnsinniger!« Sabine begrub das Gesicht in beide Hände. Dann sprang sie wieder auf und rannte in der kleinen Kajüte hin und her. »Das gibt einen Skandal! Oh, welch einen Skandal gibt das! Ich bin doch verheiratet! Was soll man in Borkum von mir denken? Wenn mein Mann das erfährt! Oh, Gott!«
»Er wird es nie erfahren! Er ist in Paris, wie Sie sagen, wir fahren nach Nizza! In Nizza wird alles anders sein. Dort treffen wir keinen Bekannten. Dort sind wir ganz allein, mit uns und unserer Liebe.«
»Liebe?« Sabine fuhr sich durch die zerwühlten Haare. »Was bilden Sie sich eigentlich ein, Herr Ferro? Ich liebe meinen Mann!«
»Du hast ihn verlassen – oder nicht?«
»Wir machen Ferien. Getrennte Ferien, weiter nichts!«
»Du hast gesagt, daß eure Ehe auseinanderbricht!«
»Das habe ich geglaubt. Mein Gott, von dem Augenblick an, in dem ich allein war, habe ich ihn vermißt. Überall fehlt er mir! Ich wollte, er wäre jetzt hier.«
»Ich bin doch da.«
»Sie? Ja, Sie sind da! Sie Irrer! Sie waren bis jetzt ein lieber, guter Freund. Ein Ferienabenteuer, weiter nichts. Gut, wir haben uns geküßt! An einem Kuß stirbt man nicht, auch unsere Ehe nicht! Ich habe mir nichts dabei gedacht, ich wollte fröhlich sein, weiter nichts.« Sie wich zurück, weil Ferro auf sie zukam. »Bleiben Sie stehen!« sagte sie scharf. »Ich weiß, es hat keinen Sinn, jetzt zu schreien und einen neuen Skandal heraufzubeschwören. Ob ich mit nach Nizza fahre, wird sich zeigen, zuerst werden wir ja in Emden ankommen.«
»Ich habe alle Fahrkarten für uns.«
»Die kann man zurückgeben!« Sabine setzte sich. Ihre Beine wurden plötzlich weich. Peter, dachte sie. Wenn er jemals erfährt, was hier vorgefallen ist. Es war ein Gedanke, der nicht weitergedacht werden durfte. Er war zu schrecklich. »Wie wollen Sie meinem Mann erklären, daß Sie mich entführt haben?«
»Ich bin wahnsinnig in Sie verliebt, Madonna.«
»Schrecklich, schrecklich! Sie erreichen genau das, was ich verhindern wollte: Sie zerstören meine Ehe.«
»Da ist nichts mehr zu zerstören«, sagte Ferro-Bornemeyer frech. »Ein Doppelzimmer mit einem Mann, die spanische Wand ist dabei unwichtig, unsere Küsse unter Zeugen, das alles reicht schon für eine Scheidung! Und im übrigen reden Sie sich jetzt nur ein, daß Sie Ihren Mann noch lieben.«
»Nein! Es stimmt, daß wir uns wenig zu sagen hatten. Ich war eifersüchtig, auf seinen Beruf, weil er keine Zeit für mich übrig ließ, auf seine Erfolge, weil sie ihn mir entfremdeten, auf seine Reisen, weil ich vor Eifersucht platzte. Wenn er dann zurückkam, wenn er im Bett lag und schlief, bin
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