Bittersweet Moon
Sängerin geworden und nicht
Pianistin?", fragte mich Robin, als er uns die Gläser mit dem letzten
Champagner füllte. Er schmeckte immer noch angenehm kalt, obwohl das Eis in dem
Gefäß schon fast vollständig geschmolzen war. Die Frage war nicht einfach und
ich dachte nach, ehe ich antwortete.
Bilder
aus meiner Kindheit reihten sich vor meinen Augen. Wieder sah ich mich als
kleines Mädchen, das völlig verzaubert mit weit geöffneten Augen in der dunklen
Opernloge sitzt und mit angehaltenem Atem das Geschehnis auf der Bühne
verfolgt, wie entrückt aus der realen Welt...
"Ich
wollte eigentlich immer Pianistin werden und habe meine ganze Kindheit davon
geträumt. Dass ich auch eine Stimme hatte, entdeckte ich erst mit sechzehn oder
siebzehn Jahren. Unser Chorlehrer im Musikgymnasium, das ich besuchte, hat mich
zum Gesangsunterricht geschickt, weil er der Meinung war, ich bin als Sängerin
vielversprechend und muss unbedingt was aus meiner Stimme machen. Ich selber
habe an mir gezweifelt und nicht so richtig daran geglaubt, dass ich gut genug
sei, um eine Opernsängerin zu werden. Als Kind bin ich mit meinem Vater, der
ein Opernfreak war, oft in die Oper gegangen und ich hatte so viel Ehrfurcht
und Bewunderung für die Sänger, dass ich mir nur schwer vorstellen konnte,
selber so singen zu können.
Aber die
Leidenschaft hat mich sehr schnell gepackt, als ich entdeckte, wie ich mich mit
meiner Stimme noch viel besser ausdrücken kann, als am Klavier. Singen ist für
mich noch körperlicher und sinnlicher. Beim Klavierspielen kommen meine Gefühle
aus dem Herz heraus, aber beim Singen kommt alles aus dem Bauch heraus, du verstehst
was ich meine?" , machte ich kurz Pause und schaute Robin an, der mir wie
immer interessiert und aufmerksam zuhörte.
"Ja,
sehr gut sogar. Ich singe auch aus dem Bauch heraus, oder sogar aus noch
tieferen Körperregionen", bestätigte Robin das, was ich sagte und wir
lächelten uns kurz an.
"So
war ich immer mehr überzeugt, dass ich Sängerin werden möchte und keine
Pianistin. Ich wusste nur nicht ganz sicher, ob ich Opernsängerin werden
möchte. Das weiß ich immer noch nicht", gestand ich mehr zu mir selber als
zu Robin.
"Echt?
Du weißt es nicht? Aber du singst demnächst eine Hauptrolle in der Oper",
wunderte sich Robin.
"Ja,
das tue ich, das gehört zu meinem Studium und ich singe gerne die Mimi .
Aber eigentlich gibt es zu wenig Opernrollen, die mich so sehr interessieren,
dass ich auf jeden Fall Opernsängerin werden will. Ich will lieber unabhängig
bleiben und nur das singen, was ich wirklich liebe. Wenn du schon das Glück
hast, ein Engagement an einem Theater zu kriegen, musst du das singen, was sie
dir anbieten. Du kannst dir nicht aussuchen, mit wem du arbeiten möchtest, oder
mit welchem Regisseur oder welchem Dirigenten du nicht arbeiten willst. Du
musst deinen Vertrag erfüllen und froh sein, überhaupt eine Rolle gekriegt zu
haben, die Konkurrenz ist ja gnadenlos. Erst wenn eine Sängerin berühmt genug
geworden ist, kann sie frei entscheiden, was sie singen möchte und mit wem. Ich
zweifle daran, dass dieser Job das richtige für mich wäre. Dafür liebe ich die
Oper und die Theaterwelt nicht genug, denke ich“, erklärte ich Robin meine
Zweifel. „Du aber, du kannst immer selber bestimmen was du singst und du bist
nur von deiner Band abhängig und auch sonst arbeitest du nur mit von dir
auserwählten Produzenten und Studiomusikern. So war es schon von Anfang an,
nicht erst als ihr berühmt geworden seid, stimmt's?", fragte ich Robin und
beneidete ihn dafür.
"Ja,
so ist es", nickte Robin. "Ich habe es mir nie sagen lassen wollen,
wie und mit wem ich Musik machen sollte, ich hatte von Anfang an meine
Freiheit. Ich war nicht bereit Kompromisse zu machen und mich den Vorstellungen
der Plattenbosse zu sehr anzupassen. Aber ich hatte einfach sehr viel Glück, es
hätte auch anders sein können, auch in der Rockmusik läuft es ähnlich wie in
der Klassik. Ich kann deine Bedenken schon gut nachvollziehen, Diana. Dazu bist
du noch zu untypisch für diesen Beruf, du hast ja das Herz eines Rockers, nicht
wahr?", scherzte Robin und lächelte mich mutmachend an.
"Ja,
wahrscheinlich", lächelte ich zurück. "Ich muss sehen, dass ich einen
anderen Weg für mich als Sängerin finde, wo ich klassische Musik aber auch Pop
singen kann und meine Freiheit behalten kann. Ich wollte diese klassische
Ausbildung absolvieren, weil sie mir eine gute Basis für alles andere
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