Bittersweet Moon
Zwar bedauerte ich, ihn so verletzt zu haben, aber ich empfand
nicht mal den geringsten Wunsch, uns noch eine Chance zu geben. Ich war so
erfüllt mit Robin, dass es keinen Platz für jemand anderen in meinem Leben gab.
Und ich wollte es auch nicht anders.
"O.k.,
wenn du meinst, es ist ja dein Leben und du wirst es schon wissen“, beugte sich
Tom mit einem Küsschen auf die Wange zu mir. „Hoffentlich wird es dir später
nicht leid tun", setzte er sich wieder hin und akzeptierte respektvoll,
aber mit Zweifeln, meine Entscheidung, die er nicht ganz nachvollziehen konnte.
Wenn er alles über Robin und mich gewusst hätte, hätte ich seine völlige
Unterstützung gekriegt, er war ja so hoffnungsvoll romantisch und er würde sich
tierisch für mich freuen. Aber er durfte die Wahrheit nicht erfahren. Wie sehr
ich ihn auch mochte, ich vertraute ihm nicht ganz, dass er so ein Geheimnis für
sich behalten können würde. Wir tranken weiter wortlos unseren Kaffee, jeder
für sich in seine Gedanken vertieft. So blieb ich völlig alleine mit meiner
bittersüßen, geheimen Romanze, die mich so sehr veränderte und mir wie in einem
Spiegel mein wahres Ich zeigte, das bis jetzt gut versteckt hinter meinen
gläsernen Mauern schlummerte. Robins Anruf schenkte mir den Glauben und die
Hoffnung auf ein Wiedersehen mit ihm und verlängerte damit mein fantastisches
Abenteuer bis ins Ungewisse. Es geht weiter, es ist noch nicht zu Ende !
Mein Märchen wurde mir zu Gunsten umgeschrieben und ich betrachtete mich nicht
länger als Aschenputtel. Selbstzufrieden lächelte ich hinter meiner Kaffeetasse
und lauschte freudvoll dem Glücksgefühl in meinem Innern, das sich in mir wie
ein zufrieden schnurrendes Kätzchen auf seinem Lieblingskuschelplatz in der
Sonne breit machte und sich genüsslich rekelte.
Die
große Überraschung
Nachdem
ich Tom verabschiedet hatte, zog ich mich an und versuchte den ersten Tag ohne
Robin mit dieser neuen Zuversicht, die ich durch seinen Anruf gewann, sinnvoll
und konstruktiv zu verbringen. Ich verspürte einen intensiven Wunsch nach
Singen, um endlich wieder auf andere Gedanken zu kommen. Als ich mich an den
Flügel setzte, betrachtete ich eine Weile das große Portrait von Liszt. Dieses
Bild war mein stummer, treuer Begleiter seit meiner Kindheit. Als stiller Zeuge
erlebte es alle meine Entwicklungsphasen und Veränderungen, das Glück und das
Leid, was ich in meinem bisherigen Leben erfuhr. Es hörte geduldig zu, wie ich
durch die Musik meinen stark gefühlsbetonten und von einer nicht immer erklärbaren
Sehnsucht geprägten inneren Welten eine Form gab, eine Struktur, die mir Halt
und Schutz bot, wenn die erlebten Krisen und Erschütterungen zu groß waren, und
die mich auffing, wenn ich an meinen heftigsten Gefühlsstürzen zu zerbrechen
drohte. Ich erlebte die Musik stets als eine äußerst wirkungsvolle Heilkunst,
die mich immer wieder aufs neue rettete und mich ganz und heil machte, wenn ich
durch die turbulenten Geschehnisse in meinem Leben zu sehr aus meiner Mitte
geriet. In gewissem Sinne war ich abhängig von der Musik und von der
wunderbaren Erlösung, die ich durch sie so oft erfuhr und ich schätzte mich
glücklich, dass sie mir so zuverlässig ihre Zuflucht bot. Auch als ich an
diesem Tag zu singen anfing, erhoffte ich mir Erleichterung und Ablenkung von
meiner Sehnsucht nach Robin. Meine monotonen, gleichmäßigen Tonübungen zum
einsingen versetzten mich in einen ruhigen, konzentrierten Zustand. Mit jeder
Tonleiter, die meine Stimme allmählich aufwärmte und sie geschmeidig, folgsam
und klar machte, spürte ich, wie ich mich innerlich sammelte und trotz der
gähnenden Leere, die nach Robins Abschied in mir aufgetreten war, wieder die
alte Freude und Genuss beim Singen empfand. Mein Körper gewann seine Spannung
zurück, er richtete sich auf und befreite sich von der schlaffen Müdigkeit,
verursacht durch so viele Tränen in den letzten vierundzwanzig Stunden. Das
erfreute mich sehr und gab mir Mut für die nächsten Wochen. Es hätte durchaus
passieren können, dass mich mein Liebeskummer stimmlich blockieren würde und
mir buchstäblich die Kehle zugeschnürt hätte. Dass dies nicht der Fall war,
verdankte ich teilweise auch Robin, stellte ich fest. Dadurch, dass er gerade
die Musik für seine neue CD schrieb, fühlte ich mich mit ihm eng verbunden,
während ich selber musikalisch aktiv war. Wenn ich sang, kam ich ihm ein Stück
näher und die Entfernung zwischen
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